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Don’t Remove the Kinks From Your Hair!
Remove Them From Your Brain!

Über die historische
(Ent-)Naturalisierung von Afrohaar


von Victoria Caroline Parker

“Our hair, like our skin, is a highly sensitive surface on which competing definitions of 'the beautiful' are played out in struggle.”1

Die Repräsentation vom Menschen ist an Körper gebunden. Vorstellungen des Eigenen und des Fremden, von Rasse,2 Geschlecht und Klasse orientieren sich auch an Körpern.3 Haare, als Teil unseres Körpers, sind wichtige kulturelle Symbolträger, die in der Vergangenheit und Gegenwart eine bedeutende Rolle in der Ästhetisierung und Konstruktion von Weißsein einnehmen. Haare scheinen gewöhnlich, dennoch liegt ihnen eine komplexe semiotische Bedeutung zu Grunde. So können wir durch Haare oder durch das Verdecken ebendieser zum Beispiel unsere (politische) Ideologie oder (religiöse) Gesinnung ausdrücken. Wir können sie durch Glätten, Färben, Flechten und Schneiden von ihrer Ursprungsform lösen und gezielt transformieren. Das Tragen meines Afros und das Experimentieren mit meinen Hairstyles ist für mich alltäglich. Je nach Laune, Anlass und Wetterlage trage ich mein Haar ganz offen, gekämmt, ungekämmt oder gestylt; zu Braids, Twists oder Cornrows frisiert. Für mich war und ist das normal. Doch unter gewissen Umständen wird das vermeintlich Gewöhnliche zum Ungewöhnlichen.


Hair-Story.
Foto von der Autorin.


Afrohaar ist in seiner strukturellen Beschaffenheit einzigartig. Darüber hinaus nimmt es auch, durch soziologische, historische und psychologische Komponenten, einen besonderen Stellenwert im Selbstverständnis Schwarzer4 Menschen ein. Koloniale Kontinuitäten führten und führen zu einer rassifizierten Ästhetik, durch die Afrohaar zum key ethnic signifier5 wurde. Haare sind zunächst nicht mehr als ein organisch-biologischer Bestandteil des Menschen und doch werden sie, durch Praktiken des Schneidens, Färbens, Rasierens und Glättens „entnaturalisiert“ und zu einer Kulturpraktik gemacht. Hierdurch verleihen wir ihnen nicht nur Bedeutung und Wert, die Art, wie wir unsere Haare tragen oder auch nicht tragen, kann Aussagekraft über die Gesellschaft und den dazugehörigen Wertvorstellungen hegen. Als äußerlicher Signifikant, der transformiert und an die ‚Anforderungen’ der Dominanzkultur angepasst werden kann, ist Haar mehr als nur ein körperliches Merkmal: Die Entnaturalisierung von Haar führt zu einer Sozialisierung des Körpers.6 Haare sind zu einem sozialen Code geworden, der über Jahrhunderte verwendet wurde, um einen Unterschied zwischen Menschen zu konstruieren und westliche weiße Superiorität zu legitimieren.

Edward Said machte darauf aufmerksam, dass das kulturelle Gedächtnis – sowohl von kolonisierten als auch von kolonisierenden Nationen – zahlreiche Aspekte der imperialen Vergangenheit verinnerlicht hat und so eine westliche Dominanzkultur entstanden ist, die Wissen, Bildung, Sprache, Selbstdarstellung und Selbstbild von Nationen bis heute maßgeblich prägt.7 So ist auch das westliche Selbstverständnis, weiße,8 normierte Ästhetik als gewöhnlich und selbstverständlich zu begreifen, ein Hinweis auf koloniale Kontinuitäten: „Culture and the aesthetic forms it contains derive from historical experience […].“9

Auch Stuart Hall bezieht sich auf das kulturelle Archiv und analysiert den Zusammenhang zwischen westlicher Wissensproduktion und (medialer) Repräsentation sowie den verbleibenden Dualismen und Stereotypen, die hierdurch erzeugt werden:

Power, it seems, has to be understood here […] in broader cultural or symbolic terms, including the power to represent someone or something in a certain way – within a certain ‘regime of representation’. It includes the exercise of symbolic power through representational practices.10

Für Hall hält sich eine weiße Vormachtstellung aufrecht, indem unter anderem in westlichen Medien stereotypisierende Bilder (re-)produziert werden, die Menschen entsprechend einer weißen Norm klassifizieren und Menschen außerhalb dieser Klassifizierung als ‚Andere/Fremde‘ konstituieren. Diese Dichotomie zwischen Selbst- und Fremddarstellung, Politisierung und Kommerzialisierung, Aneignung und Gegenaneignung zeigt sich nicht nur in der visuellen Repräsentation und Ästhetik von Afrohaar, es beeinflusst ebenso die Lebensrealitäten innerhalb der Schwarzen Diaspora. Der (rassifizierte) Körper als Ort diskursiver und disziplinierender Praktiken wird so zu einem Signifikanten kolonial-hegemonial aufgeladener Narrative. Eine binäre Logik zwischen ‚Gewöhnlichem‘ und ‚Ungewöhnlichem‘, ‚Fremd‘ und ‚Norm‘, ‚Dominanzkultur‘ und ‚Subalterne‘11 finden wir dementsprechend auch in westlichen (Schönheits-)Idealen wieder.

Dieser Essay zeigt anhand persönlicher Erfahrungen sowie historischer und politischer Begebenheiten die gesellschaftliche Bedeutung von Afrohaar auf: Wie spiegeln sich soziale Machtverhältnisse in der Ästhetik von Afrohairstyles wider?

Um dies hinreichend zu erläutern, gilt es, drei Grundpfeiler zu rekapitulieren: Zunächst wird die politische und historische Bedeutung von Afrolooks skizziert, um ein Verständnis der identitätsstiftenden und aktivistischen Potenziale dessen zu gewährleisten. Es zeigt sich, dass Afrohairstyles als kulturelle Praktiken zwischen Anpassung und Widerstand changieren. Darauf aufbauend liegt der Fokus des zweiten Kapitels auf der medialen Repräsentation von Afrolooks. Hier wird eine Brücke von der Afrohaar-Geschichte der USA in den 1960er-Jahren hin zu der (deutschen) Repräsentation von Afrohaar ab den 1990ern bis heute geschlagen. Besonders die Auseinandersetzung mit (Sozialen) Medien dient dazu, ein identitätsstiftendes Gegennarrativ herauszuarbeiten, das afrodiasporische Vernetzung ermöglicht, Perspektiven erweitert und Schwarze Lebensrealitäten bis heute maßgeblich prägt. Kapitel drei widmet sich dem noch immer verbleibenden Herrschaftsdualismus zwischen Aneignung und Wiederaneignung, zwischen Dominanzkultur und Subalterne, um letztendlich zu zeigen, wie ein vermeintlich physisches Attribut wie Haar durch kolonialistische Kontinuitäten entnaturalisiert und zum visuellen Merkmal der Afrodiaspora wurde.

I. Entnaturalisiert: “Hair as key ethnic signifier”

Ich erinnere mich noch gut an meinen allerersten Friseurbesuch. Ich war dreizehn Jahre alt und ging zum Salon in die nächstgrößere Stadt. Noch nie zuvor hatte ich mir in einem Friseurladen die Haare schneiden oder stylen lassen. Dementsprechend groß war meine Vorfreude. Zunächst wurde ich mit der Überforderung meines Gegenübers konfrontiert: „Wir müssen deine Haare glätten, anders kann ich damit nicht arbeiten.“ Nach vier Stunden und nachdem sich zwei Friseurinnen simultan mit Glätteisen, Rundbürste, Föhn und Schere bewaffnet an meinem Afrohaar zu schaffen machten, durfte ich mich im Spiegel betrachten. Nun hatte ich also rund hundert Euro weniger und – zumindest bis zum nächsten Regenschauer – die langen, glatten Haare, die ich mir immer wünschte. Ich war glücklich.

Bereits mein dreizehnjähriges Ich war sich der Symbolkraft von Haaren unterschwellig bewusst. Auch wenn ich nichts über die politische und soziale Dimension von (Afro-)Haaren wusste, so spürte ich, wie andere auf mich und mein Haar reagierten. Indem wir12 schon früh Kommentare wie „Kannst du die überhaupt kämmen?“, „Musst du die auch waschen?“, „Die sehen aus wie Wolle“ und Vergleichbares über uns ergehen lassen mussten, wurden unsere Haare nicht nur zum benannten Merkmal gemacht, wir wurden entnormalisiert. Indem mir schon von klein auf fremde Menschen ungefragt in meinen Afro fassten, Mitschüler:innen mit meinen Locken spielten und an ihnen zogen, weil sie so schön „dehnbar“ sind, wurden meine Afrohaare nicht nur sichtbar gemacht, sondern auch markiert und ich auf dieses Merkmal reduziert. Ich fühlte mich mit meinen glatten langen Haaren in meiner damaligen Umgebung, einem kleinen Vorort von Köln, zugehöriger und attraktiver. Ich hatte nicht nur mein Äußeres an meine Umgebung angepasst, die Tatsache, dass ich mich mit geglätteten Haaren schöner und akzeptierter fühlte, zeigt mir retrospektiv die Wirkungsmacht rassifizierter Ästhetik und meine – unbewusste – Internalisierung westlicher (Schönheits-)Ideale.

Das Ungewöhnliche und Fremde steht also immer in Relation zum Bekannten, zum Gewöhnlichen, zum Eigenen: der vorausgesetzten Normativität. Mein Erscheinungsbild wurde zum Fremdbild gemacht, um eine vermeintlich deutsche und normative Ästhetik zu sichern und so lernte ich schon früh, mein Aussehen abzuwerten. Indem marginalisierte Personen wiederholt auf ihre benannten Merkmale reduziert werden, verfestigt sich eine Kollektivsymbolik, die Tropen des ‚Anderen/Fremden/Marginalisierten/Schwarzen‘ (re-)produziert. Der Entwurf des ‚Fremden‘ korreliert demnach unweigerlich mit einer (deutschen) weißen, normativen Selbstrepräsentation.

And it struck me that for black people, the pain of learning that we cannot control our images, how we see ourselves (if our vision is not de-colonized), or how we are seen is so intense that it rends us.13

Um sich von dem verzerrten kolonisierten Selbst- und Fremdbild befreien zu können, bedarf es einer mentalen und strukturellen Dekolonisierung. Das Erschaffen neuer Bilder mit komplexeren Bedeutungsebenen, welche bestehende Darstellungen und Normierungen marginalisierter Menschen überschreiben und diese transformieren, ist dafür essentiell.14 Bell Hooks stellt fest, dass die einseitige oder gar fehlende Repräsentation von Schwarzen Menschen, auch in den Medien, im Laufe der Geschichte zu einem bis heute gespaltenen Selbstbild führt.15 Dina Aboul Fotouh Hussein Salama schreibt, dass in Europa schon seit dem Mittelalter dem Schwarzen eine Semantik zugrunde liegt, in der „das helle, leuchtende Äußere nach dem Prinzip der Kalokagathie auf die innere Schönheit und Güte eines Menschen [verweist]“ und die „dunkle Gestalt einer Person dieser antithetischen Logik entsprechend als Hinweis auf ihr schwarzes böses Inneres gedeutet [wird].”16 Diese Semantik ging einher mit einem pseudo-wissenschaftlichen Rassismus, der durch die ‚Rassentheorie’ die Superiorität der westlichen, weißen Gesellschaft gegenüber kolonisierten, marginalisierten (Schwarzen) Menschen und ihrer Ausbeutung und Versklavung legitimierte und verfestigte.17 Denn die Unterscheidung zwischen Schwarz und weiß und eine damit einhergehende rassifizierte Binarität beginnt bereits im 15. Jahrhundert mit der europäischen überseeischen Expansion, der Sklaverei und Kolonialisierung sowie der damit verbundenen ‚wissenschaftlich’-begründeten ‚Rassentheorie’ im 17. und 18. Jahrhundert.18

Afrohaar spielt demnach in der gewaltvollen Kontinuität weißer Dominanz keine unerhebliche Rolle. Die Frisuren der afrikanischen Sklav:innen konnten auf die familiäre Herkunft, die Ethnie und den sozialen Status einer Person hinweisen. Bereits um 1600 wurde den Sklav:innen in den USA deswegen der Kopf geschoren, um sie zu entmenschlichen, zu demütigen und ihnen ihre sichtbare kulturelle Zugehörigkeit zu nehmen.19 1780 wurde Schwarzen freien Frauen in Nordamerika unter dem sogenannten Tignon Law gesetzlich untersagt, in der Öffentlichkeit einen Hut oder ihre Haare offen zu tragen. Sie mussten sie stattdessen mit Haartüchern – ‚Tignons’ – bedecken, um ihren Status als freie Frauen zu markieren. Dies sicherte auf visueller Ebene weiße Vorherrschaft, um einerseits die Überlegenheit der weißen Frauen, die im Gegensatz zu Schwarzen Frauen Hüte, Ketten, ihr Haar offen und frisiert tragen durften, auch visuell zu markieren. Andererseits sollte das Gesetz ‚Miscegenation’ – also (sexuelle) Verbindungen zwischen Weißen und Schwarzen – verhindern und dafür Sorge tragen, dass Schwarze Frauen weiße Männer nicht mit ihrem unbedeckten Haar verführen konnten.20 Die Soziologin Lina María Vargas Álvarez fand in ihrer Feldforschung über afro-kolumbianische Friseur:innen heraus, dass Frisuren der afro-kolumbianischen Sklav:innen in der Vergangenheit nachweislich zur geheimen Kommunikation verwendet wurden. Tatsächlich flochten Sklavinnen Umgebungspläne auf die Köpfe ihrer Kinder und markierten damit zum Beispiel Fluchttreffpunkte. Die Kinder mischten sich unbemerkt unter die Sklav:innen und verbreiteten die Botschaften.21 Außerdem dienten Afrohaare als Behältnis, als eine Art ‚Versteck‘, in denen kleine Gegenstände oder mitgebrachte Samen versteckt und später zur Eigennutzung angepflanzt werden konnten.22

Afrohaar wurde zu einem key ethnic signifier, der die westliche Superiorität über Schwarze Menschen visuell markierte und zugleich Potenzial zum aktiven Widerstand bot. Es entwickelte sich von einem physischen Attribut zu einer visuellen Markierung der eigenen Identität, der politischen Überzeugung und der Selbstwahrnehmung. Durch koloniale und imperiale Herrschaft wurde Afrohaar ab- und europäisches, weißes Haar aufgewertet. Laut Susan Arndt fungiert Weißsein seit dem Kolonialismus dementsprechend als eine Art „naturgegebenes Axiom“ und „[a]lles, was nicht dem Idealtyp entspricht, fällt aus der gesetzten Norm heraus, ist aus der Perspektive eines Master-Signifiers Weißsein heraus zu debattieren, zu klassifizieren, zu organisieren, zu zivilisieren.“23 So wurde Afrohaar aufgrund der vermeintlichen Abweichung zur ‚Norm’ sichtbar und europäisch, westliches, glattes Haar im Gegenzug unsichtbar gemacht.

Der Afrokamm als kulturelles Symbol für Anpassung und Widerstand

Wie die Textur von Haar (Un-)Sichtbarkeiten schafft, zeigt sich auch in der Praktik von Afrohaarpflege. Beispielhaft ist die ambivalente Geschichte des Afrokamms, der im 20. Jahrhundert erst zum kulturellen Artefakt der Anpassung und dann des Widerstandes wurde.

Die Vermarktung des Hot Comb Ende des 19. Jahrhunderts markiert eine relevante Wende in der Geschichte von Afrohaar, indem er zum Signifikanten der unterdrückten Afrodiaspora wurde. Er ermöglichte eine Anpassung an westliche Schönheitsideale und damit eine ‚Dekodierung’ für Schwarze Menschen innerhalb der Dominanzkultur. Der Metallkamm, welcher heiß gemacht und dann durch die Locken gekämmt wird, war damals die leichteste und ‚unschädlichste’ Methode, Afrohaar zu glätten. Bereits Mitte der 1920er-Jahre galt glattes Haar, so wie es Bessie Smith oder Josephine Baker trugen, als Statussymbol der Mittelschicht und avancierte zu einem Trend. Um diesen Umschwung etwas besser greifen zu können, ist ein kurzer Exkurs in die Mentalitätsgeschichte der US-amerikanischen Segregationspolitik unverzichtbar:24 Die zunächst auf dem Phänotyp basierende sozio-politische Hierarchie zwischen Schwarz und weiß lässt sich am Racial Integrity Act25 von 1924 verdeutlichen. Das Gesetz, auch bekannt als ‚One-Drop-Rule’, sicherte sowohl politisch, ökonomisch, gesellschaftlich als auch bildungspolitisch eine weiße Vorherrschaft, indem Personen mit Schwarzer Abstammung – darunter fielen alle Individuen, die zu einem Sechzehntel oder mehr nicht-weißer Abstammung waren – zu Menschen zweiter Klasse gemacht wurden.26 So konnte bereits ‚ein Tropfen Schwarzes Blut’ über die Behandlung eines Individuums entscheiden. Es ist kaum verwunderlich, dass sich die Manifestierung der ‚One-Drop-Rule’ auch in den Beauty-Standards der 1920er- und 1930er-Jahre spiegelte. Wie bereits erwähnt, wurden Afrohaare aufgrund ihres veränderbaren Charakters zum key ethnic signifier, der eine Verschleierung der auf Phänotyp und Abstammung basierenden sozialen Codes ermöglichte.27To have good hair’ bedeutete im Folgeschluss, möglichst glattes, nicht zu lockiges europäisch anmutendes Haar zu haben.28 Dies erklärt unter anderem die massenhafte Produktion von Haar-Relaxern, Hot Combs und Blow-Outs seit Anfang des 20. Jahrhunderts, die eine visuelle Assimilation Schwarzer Bürger:innen an eurozentrische Schönheitsideale ermöglichte. Das Glätten des Afros war also weitaus mehr als nur ein Modetrend. Der Hot Comb und ähnliche Glättungsmethoden bot Schwarzen Menschen, auch außerhalb Amerikas, einen Weg zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz.


Abbildung 2: Afro Pick

Afrocomb.
Foto von der Autorin.

Der Afro Pick hingegen wurde in der Geschichte afroamerikanischer Liberalisierung zum Symbol des Widerstandes. Insbesondere mit Schwarzer Faust weist er einen Bezug zur Black-Power-Bewegung auf und steht für das Wiederaufleben der Afro-Frisur. Der typische Afro Pick besteht aus weit auseinander angebrachten kräftigen einzelnen Zähnen, die verhindern, dass sich Afrolocken beim Kämmen verknoten oder gar brechen. Mit Hilfe des Kamms wird der Afro durch ‚ziehen’ und ‚drücken’ in die bekannte runde Form gebracht. Darüber hinaus zeigen kulturelle Fundstücke, unter anderem aus dem Alten Ägypten zur Zeit der Sklaverei sowie aus diversen Communities in Afrika und der Karibik, dass der Comb schon über Jahrhunderte hinweg eine zentrale Rolle in der Pflege und Dekoration von Afrohaar einnimmt.29 In einigen diasporischen und afrikanischen Communities symbolisiert er Status, Gruppenzugehörigkeit und Spiritualität, weswegen er teilweise mit religiösen und rituellen Emblemen verziert ist.30 Die Griffe der Kämme können mit Statusobjekten wie der Kopfstütze, menschlichen Figuren und Motiven verziert sein, die auf die Natur und/oder spirituelle Werte verweisen.31 Die ideologische Konnotation des Afro Picks zeigt sich auch in der Wahl der Kopfstütze als schwarze Faust. Der Kamm ist weitaus mehr als nur ein Accessoire. Er ist in den 1960er-Jahren zum Symbol einer Gegenkultur der Schwarzen Selbstermächtigung und Rebellion avanciert. 

“Don’t remove the kinks from your hair! Remove them from your brain!”32

Dazu rief der afroamerikanische Aktivist Marcus Garvey seine Brüder und Schwestern auf. Als Afroamerikaner:innen während des Civil-Rights-Movements gegen Schwarze Unterdrückung und Segregation protestierten, wurden Afrofrisur und Afrokamm zu kraftvollen politischen Statements. Als ‚ethnisches Signum’ war Afrohaar seit Jahrhunderten der visuelle Beleg für die Kontinuität eines rassistischen, unterdrückenden Systems. Die oben zitierte Aufforderung Garveys, die „Knicke“ nicht aus dem Haar, sondern aus dem Bewusstsein zu entfernen, zeigt, dass es für Afroamerikaner:innen in den 1960er-Jahren an der Zeit war, sich von ihrem internalisierten Selbsthass zu verabschieden. Die erste Welle der Natural-Hair-Consciousness-Bewegung, deren Slogan ‚Black is Beautiful’ war, forderte die Aktivist:innen dazu auf, ihr Schwarzsein zu zelebrieren und den weißen, eurozentrischen Beauty-Standards zu trotzen. Zum ersten Mal seit der Kolonialzeit kam es zu einer symbolischen Um- und Aufwertung des Afrolooks. Afrohaar als visuelle Markierung für Minderwertigkeit wurde umgewertet und zu einem Symbol des Schwarzen Widerstandes gemacht. Das politisch motivierte Tragen von Afros in der Öffentlichkeit diente als Erkennungsmerkmal, Werkzeug und Waffe der Black-Consciousness-Bewegung.33 So zeigt sich durch den Afrokamm und den damit einhergehenden Frisierpraktiken die Ambivalenz zwischen Anpassung und Widerstand. Einerseits – wie im Falle des Hot Comb – symbolisiert er Schwarze Unterdrückung beziehungsweise eine erzwungene Assimilation an die Dominanzgesellschaft, andererseits hat der Kamm – wie im Falle des Afro Pick – eine ideologische Bedeutung. Als visuelles Erkennungsmerkmal wurde der Afro Pick und mit ihm die Afrofrisur zum Signifikanten von Selbstermächtigung und Widerstand.

Ein bedeutender Anhaltspunkt ist auch die Etymologie der Begriffe ‚Afro’ und ‚Natural Hair’, welche auf die tiefe Verwobenheit von afrikanischem Haar und der Geschichte Schwarzer Menschen in der Diaspora verweist. Dem Terminus ‚natural/natürlich’ steht das Antonym ‚unnatural/unnatürlichgegenüber. Ebenso wie dem Wort ‚Afro liegt dem Begriff ‚natural’ ein rekonstitutives Signifikat zugrunde, das sich auf den Ursprung und das Naturgegebene zurückbesinnt. Die Vorsilbe ‚Afro-symbolisiert die Verbindung Schwarzer Menschen mit ihrem ‚Ursprung’ Afrika. So kann auch der Name ‚Afrofür unsere Haartextur als Symbolträger für die Rückbesinnung auf das ‚Natürliche’ und ‚Ursprüngliche’ angesehen werden. Der Name ‚Natural Hair’ ist insofern bereits politisiert, da er eine Verbindung zwischen ‚natürlich’ und ‚ursprünglich’ einerseits und einen Gegensatz zu ‚unnatürlich, künstlich, nicht-ursprünglich’ andererseits konzipiert. Die Begriffe ‚Natural Hair’ und ‚Afro’ propagieren also allein durch ihre Namen eine sich vollziehende Veränderung – eine Emanzipation von künstlich vorgegebenen, eurozentrischen (Schönheits-)Idealen.

Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, zu behaupten, dass mit jedem natürlichen Afro ein politisches Statement einhergehe. Ebenso falsch wäre es, zu sagen, dass sich Schwarze den westlichen Schönheitsidealen ‚unterwürfen’, wenn sie sich die Afrohaare glätteten oder deren ursprüngliche Form transformierten. Hier liegt kein Werturteil vor, das Afrohaare in ihrem natürlichen Zustand aufwerten-, und geglättete Haare und andere Hairstyles abwerten soll. Die Begriffe sind als Euphemismen zu verstehen, da Natural Hair bzw. der Afro über Jahrhunderte hinweg rassifiziert und entnormalisiert wurden. Afrohaar wurde so von einem physischen Attribut zu einer visuellen Markierung der eigenen Identität, der politischen Überzeugung und der Selbstwahrnehmung:

[…] all black hair-styles are political in that they articulate responses to the panoply of historical forces which have invested this element of the ethnic signifier with both personal and political 'meaning' and significance.34


Die Afrofrisur wurde forthin zur Selbstartikulation und -repräsentation genutzt. Sie griff damit die dominierende und fremdbestimmte Repräsentation an, um bestehende Hegemonien zu unterminieren. Die symbolische Klassifizierung ‚Natural Hair’ wurde somit nicht nur umgewertet, sie wurde zu einem Zeichen der Solidarität und des Widerstandes. Die Natural Hair-Bewegung ab den 1960er-Jahren ist ein bedeutsamer Schritt für die afroamerikanische35 Liberalisierung, da sie eine beginnende Ablösung von der westlichen, weißen Dominanzkultur hin zu einem Schwarzen Selbstbewusstsein und einer afrozentristischen Ästhetik markiert.36 Afrohaar ist für Viele mehr als eine Frisur – es markiert einen Lebensstil.

In Anbetracht des divergierenden geschichtlichen Verlaufs der beiden Länder USA und Deutschland und weil dies den Rahmen des Essays sprengen würde, scheint ein direkter Analogieschluss zur US-amerikanischen Natural Hair-Bewegung und den Entwicklungen von Natural Hair in Deutschland hier zu kurz gegriffen. Da die USA und Deutschland historisch und gesellschaftspolitisch im ‚Rassendiskurs’37 anders einzuordnen sind, lässt sich ohne Weiteres sagen, dass eine direkte Gegenüberstellung naiv wäre. Trotzdem soll und darf der deutsche Kontext nicht exzeptionalisiert werden, da sich gewisse Strukturanalogien nicht von der Hand weisen lassen und US-amerikanische Einflüsse benannt werden müssen. Da das westliche Selbstverständnis Weißsein als Norm begreift, werden auch in Deutschland nicht-weiße Menschen zu ‚Anderen’ oder ‚Fremden’ kodiert.38 Das kulturelle Gedächtnis der Dominanzgesellschaft, zu dessen Herausbildung kolonialistisch-rassistische Implikationen gehören, hat hauptsächlich weißes, männliches Kulturkapital präferiert und institutionalisiert. Die Deutungshoheit innerhalb einer weißen Hegemonie führt im Folgeschluss zu einer Unterrepräsentanz von Schwarzen, People of Color und migrantischen Menschen. Deren ‚rassisiertes‘ Kulturkapital39 – ethnische Zugehörigkeit, Entfremdungserfahrungen, Rassismus und Ausgrenzung – wird in der Dominanzkultur kaum anerkannt. Diese nicht-Anerkennung Schwarzen Leidens führt zu einer Unsichtbarkeit, welcher die afrodiasporische Community sich auch in Deutschland ausgesetzt sieht. Wenn im Folgenden also der von Gayatri Chakravorty Spivak eingeführte Begriff der ‚Subalterne’40 verwendet wird, dann ist jene Unsichtbarkeit mitgedacht. Da ich mich selbst als Teil der afrodeutschen Community sehe, beginnt und endet der folgende Abschnitt des Essays mit meiner persönlichen Geschichte.

II. “It’s Everywhere. It’s in Germany. It’s Personal.”

Schwarze Identitätsräume und Repräsentation


Moises Parker, Mozart „Idomeneo“, Landestheater Coburg, 1985. Foto von Owen Leinert.

Als mein Vater Anfang der 70er-Jahre durch ein Stipendium von Kuba nach München zog, um Operngesang zu studieren, war es nicht seine Tenorstimme, die ihn daran hinderte, für bestimmte Rollen engagiert zu werden. Ein Schwarzer als Titelheld bei Verdi, Beethoven, Puccini und Co.? Damals war dies kaum denkbar. Wenn ich mir Bilder seiner Auftritte ansehe, dann fällt auf, dass mein Vater, ob als Titelheld in Les contes d’Hoffmann, als Tamino in der Zauberflöte oder bei Wagners Tannhäuser unnatürlich weiß und seine Nase ‚feiner’ geschminkt wurde. Um als Solist an einer deutschen Oper akzeptiert zu werden, musste er sich der Dominanzkultur, also den westlichen Vorstellungen, wie die Figur eines Taminos oder Tannhäusers auszusehen hat, anpassen. Und auch hier spielen Haare keine unbedeutende Rolle: Denn sein Gesicht wurde nicht nur weißer, ‚europäischer’ geschminkt – er musste zudem ein Toupet mit glatten Haaren tragen.

Obwohl die Geschichte Schwarzer Deutscher nachweisbar bis weit ins zwölfte Jahrhundert zurückgeht,41 beschreibt Sander L. Gilman in seinem Essayband On Blackness Without Blacks: Essays on the Image of the Black in Germany ein relevantes Phänomen: Anders als in den USA, Großbritannien und Frankreich beruhte das Bild von Schwarzen Menschen in Deutschland vom Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts trotz kolonialer Vergangenheit hauptsächlich auf fragmentarischen und lückenhaften Repräsentationsformen, welche die komplexen Lebensrealitäten von Afrodeutschen nicht widerspiegelten.42 Bis nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörten Schwarze in Deutschland zur absoluten Minorität. Sie wurden als Bevölkerungsgruppe nicht wahr- und ernstgenommen. Erst nach der US-amerikanischen Besatzung in den 1950er-Jahren nahm die öffentliche Präsenz von Schwarzen in Deutschland zu, was jedoch nicht bedeutet, dass sie sich selbstbestimmt als Teil der deutschen Bevölkerung repräsentieren konnten.43 Im Gegenteil: Durch selektive Repräsentation kam und kommt es noch immer zu einer Reproduktion von jahrhundertealten Klischees und Stereotypen, welche die Manifestierung eindimensionaler – meist weißer – Anschauungen innerhalb der deutschen Gesellschaft fördern.44 Die vorherrschende Repräsentation spiegelt marginalisierte Perspektiven oftmals fragmentarisch wider und schafft es aus ihrer eurozentristischen Perspektive kaum, die Problemkomplexität afrodeutscher Lebensrealitäten zu erfassen. Systeme der Repräsentation, durch die Menschen sich selbst und andere darstellen, produzieren Bedeutung, indem sie unsere wesentlichen Vorstellungen über Individuen prägen. So war es wohl auch bei meinem Vater. Durch das eindimensionale Repräsentationssystem an einer deutschen Oper war es für die Intendant:innen – ausgenommen von der rassistischen Darstellung Othellos – kaum vorstellbar, einen Schwarzen Solisten zu engagieren.

Auch ich habe mich in nur wenigen Menschen und Figuren, die mir in meiner Kindheit in Büchern, Filmen, Serien und im Theater begegneten, gespiegelt gesehen. Gerade Medien – seien sie ‚traditionell’ wie Fernsehen und Rundfunk oder ‚neu’ wie digitale Medien – wird eine identitätskonstituierende Funktion zugeschrieben. Sie sollen eine symbolische Grenzziehung zwischen verschiedenen kollektiven, individuellen und kulturellen Identitäten vermitteln.45 Als Kind in den 90er- und frühen 2000er-Jahren waren es bekannte Girlgroups wie TLC und Destiny‘s Child, die mein Bild von Schwarzen Frauen außerhalb meiner Familie nachhaltig prägten.

Der popkulturelle Transfer zwischen den USA und Deutschland ab den 1950er-Jahren wurde häufig als eine Art ‚Amerikanisierung’ der deutschen Kulturlandschaft beschrieben.46 Doch hier stimme ich Sabine von Dirke zu, dass dieser Transfer wohl treffender als Prozess der Aneignung und Gegenaneignung benannt werden sollte. Es handelt sich um eine Art der Hybridisierung, durch die Interessen und Bedürfnisse der deutschen Bevölkerung mit US-amerikanischen Kulturprodukten fortwährend abgeglichen und ausgehandelt werden.47 Nicht nur Musikstile werden miteinander kombiniert und fusioniert, dasselbe gilt der visuellen Inszenierung. In den Musikvideos und Auftritten besagter Girlgroups wurden traditionelle und neue europäische und amerikanische sowie afrokaribische Stile miteinander kombiniert.48 Deswegen wirkte die Gründung der No Angels wie ein popkultureller Befreiungsschlag auf mich. Endlich gab es deutsche Popstars, mit denen ich mich ein Stück weit identifizieren konnte. Die Sängerinnen inspirierten und empowerten mich und meine Schwestern auch durch ihre Frisuren. Sie erweiterten für uns den ästhetischen Spielraum in einer Welt, in der es zuvor nur den einen weißen Frisiersalon gab.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine große Schwester zuhause stundenlang versuchte, Cornrows mit Hilfe von Wolle nachzuflechten, inspiriert von Alicia Keys in dem Musikvideo zu Fallin‘ (2001). In Köln und Umgebung gab es kaum Afroshops und alle Produkte mussten aus den USA oder Afrika importiert werden. Ebenso wie mediale Repräsentation bot mir der Afroshop einen Raum der Identifikation. Er wurde zum Identitätsraum vor Ort. Obwohl der Name suggeriert, dass es sich hierbei um eine Institution handelt, die aus einer afrikanischen Tradition heraus in Deutschland etabliert wurde, ist dem nicht so. Im Gegenteil: Der Afroshop ist Produkt und Symbol der afrikanischen Diaspora.49 Er kombiniert den Einzelhandel von afrikanischer Mode bis hin zu Lebensmitteln aus aller Welt häufig auch mit Dienstleistungen wie Gastronomie und manchmal auch Frisieren. Im Afroshop meines Vertrauens gibt es zum Beispiel Sitzgelegenheiten, einen großen Fernseher und Musik – er lädt zum Plaudern ein und ist mehr als nur ein Lebensmittelgeschäft. Er bietet Raum für afrodiasporische Begegnung. Beide, sowohl der Afroshop als auch die popkulturelle Produktion, sind Identifikationsräume, in denen Kultur und Identität ständig neu verhandelt werden können. Der Afroshop agiert dabei auf der Mikro-Ebene, da er lokal zum Identitätsraum Schwarzer Menschen (in Deutschland) wird, wohingegen Massenmedien auf der Makro-Ebene die Möglichkeit einer weltweiten Vernetzung und Identifikation ermöglichen können. Diversere Repräsentationen und unterschiedliche kulturelle Einflüsse innerhalb der Diaspora gaben mir ein (Selbst-)Bewusstsein, das ich zur Aussöhnung mit mir selbst so dringend gebraucht hatte.


Natural Hair 2.0: Identität durch Visualität

“Before the development of social media, an entire generation of Black women had no idea how to properly take care of the hair they naturally grew.”50

Braids, Schachbrettstil.
Foto von der Autorin.


Die Afrohaar-Ästhetik äußert sich seit den 1990er-Jahren anders als ihre Vorgängerin der 1960er- und 1970er-Jahre. Seit knapp 30 Jahren gibt es nun eine zweite Welle der Natural Hair-Bewegung, in der sich Schwarze von europäischen bzw. westlichen Schönheitsidealen weiter emanzipieren und damit für die visuelle Akzeptanz von afro-texturiertem Haar kämpfen.51 Und wieder ist die Bewegung politisch. In Zeiten von Facebook, YouTube, Instagram und Co. spiegeln sich afrodiasporische Diskurse auch im Internet wider. Die virtuelle Vernetzung von (marginalisierten) Gruppen kann soziale Unterstützung und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit hervorrufen. Auch die Natural Hair-Bewegung entfachte sich im Internet wieder neu.52 Für mich eröffnete das Aufkommen von YouTube-Beauty-Vlogs eine vorher nicht dagewesene Welt, die mir weitere Erfahrungen mit dem/der Dorffriseur:in ersparen konnte. Ich lernte durch die Videos, Cornrows, Twists und Braids richtig zu flechten, wie ich meine Washing-Routine durchführe und welchen Haartyp ich habe. Ich erfuhr auch, wie ich aus herkömmlichen Hausmitteln Afro-Haarprodukte selbst herstellen konnte, die es in Deutschland nicht zu kaufen gab. YouTube zeigte mir außerdem die Existenz einer weltweiten Community. Zusammen mit ItsMyRayeRaye, TheChicNatural und Naptural85 lernte ich mich und meine Haare kennen. Eine britische Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass die Identifikation mit Schwarzen YouTube-Blogger:innen vielen jungen Schwarzen Menschen leichter zu fallen scheint als die Identifikation mit Schwarzen in den ‚traditionellen’ Medien wie Fernsehen und Rundfunk.53 Dies kann mehrere Gründe haben: Zum einen scheint die Divergenz der dargestellten Personen und die damit einhergehende größere Identifikationsmöglichkeit eine Rolle zu spielen. Zum anderen ist die realitätsnahe Wiedergabeform der Vlogs durch ihren ‚unveränderten‘, amateurhaften und selbstgemachten Charakter ein Kriterium, das Vertrauen evoziert. Ungeachtet dessen, dass die Vlogs auf YouTube auch gescriptet und geschnitten sein können, wirken sie auf die Zuschauer:innen authentischer als viele Fernsehproduktionen. Ein entscheidender Faktor scheint hier die Eigenverantwortung in der Produktion und die Deutungshoheit von YouTuber:innen über den Content zu sein.54 So kann YouTube als ein Ort, an dem Kultur und Identität ständig neu verhandelt werden, ein Artikulationswerkzeug des third space für Menschen in der Diaspora sein:

Engaging with YouTube turns out to be a strong means to embrace your identity as a Black woman. […] Seeking out images of Black women on YouTube thus becomes more than finding practical advice. It is part of a shift from implicit underground unease to a more openly political stance.55

Schwarze Menschen weltweit machen sich durch Social Media ein Medium der (Selbst-)Repräsentation zu eigen. Die (Selbst-)Repräsentation auf sozialen Netzwerken, die als Gegendiskurs verstanden werden kann, greift das rassisierte Repräsentationssystem an und kann Schwarzen in Deutschland und weltweit als Ort für Austausch und Selbstdefinition dienen. So ermöglicht Social Media den User:innen, sich von der ästhetischen Form vorgegebener Normierungen ein Stück weit zu emanzipieren. Die öffentliche Sichtbarmachung und Anerkennung von Black-Hairstyles hilft afrodiasporischen Individuen, sich in ihrer Identität sicherer zu fühlen und diese nach außen zu tragen. Dies hat auch wechselseitige Auswirkungen auf die offline-Community. So werden nun beispielsweise angehende Friseur:innen in Großbritannien seit Juli 2021 in ihrer Ausbildung auch im Fach Afro-Haarkunde unterrichtet,56 wie es in Deutschland bei der Friseur:innen-Ausbildung bisher nicht möglich – aber wünschenswert – ist. Es ist ein wichtiger Schritt, denn es geht nicht nur darum, ein Schwarzes Selbstbewusstsein zu formieren, sondern auch darum, dieses in die Dominanzkultur, also eine weiße Mehrheitsgesellschaft, zu integrieren und Sichtbarkeit zu schaffen.

So lässt sich festhalten, dass gerade für marginalisierte Menschen oder Menschen in der Diaspora der (virtuelle) Austausch essenziell für kulturelle Produktion und politische Sichtbarmachung ist. Soziale Medien bestimmen im Zuge der Digitalisierung den Diskursrahmen auf signifikante Weise mit und bringen zugleich neue Strategien hervor. Partizipation in digitalen Netzwerken schafft dabei nicht nur neue Diskursräume und Teilhabemöglichkeiten, sondern auch Formen der Sichtbarkeit und Emanzipation. Dies findet online sowie offline Ausdruck in aktuellen Protestbewegungen wie Black Lives Matter. Sie haben Diskussionen über Rassismus in eine breitere Öffentlichkeit gebracht und zeigen, wie unerträglich die Kontinuität rassistischer Fremdzuschreibungen und Gewalt bis heute ist. Auch in Deutschland wurden jene Debatten in den vergangenen Jahren, unter anderem durch inhaltlich verwandte Hashtags wie #decolonize, #RacialProfiling, #PolizeiProblem, #MeTwo, #SchwarzesDeutschland, #OuryJalloh, #NSU20, #wasihrnichtseht, verhandelt. Sie führten zu Überlegungen zur Dekolonisierung der Polizei und anderer Institutionen und zu Diskussionen über Rassismus im Alltag. Sie eröffneten einem von Fremdzuschreibungen und Rassismus geprägten Teil der Bevölkerung Möglichkeiten der politischen Partizipation und Artikulation.57

Doch der (Online-)Kampf um die Sichtbarkeit und Gleichbehandlung Schwarzer Menschen birgt bei all seinen positiven Ergebnissen und Erfolgen wie etwa dem Öffnen von Identifikationsmöglichkeiten und der Sichtbarmachung von diskriminierenden systemimmanenten Strukturen auch Risiken für einzelne Akteur:innen. Zwar kann es durch Netzwerk-Effekte zu einer Solidarisierung kommen, doch ebenso besteht die Möglichkeit, dass in digitalen Räumen eine politische Handlungssphäre entsteht, „in welcher um die Deutungshoheit der Rassismus- und Diskriminierungsanklage gerungen wird.“58 Unter den Bedingungen des (digitalen) Kapitalismus kann so die Dichotomie zwischen Subjektivierung und Kollektivierung, Schwarz und weiß, Benannt und Unbenannt (re-)produziert werden. Das Erlebte kann von (rassistischen) Gegenstimmen im Online-Diskurs öffentlich in Frage gestellt werden. Diese Handlungssphäre führt, so behaupte ich, zur emotionalen Belastung von BIPoC,59 die ihre Positionen im öffentlichen digitalen Raum immer wieder aufs Neue verhandeln, legitimieren und verifizieren müssen.

Long Way to Go

Als die R&B- und Pop-Sängerin Beyoncé 2016 in ihrer Single Formation darüber sang, dass sie die Haare ihrer Tochter mit „Babyhaar und Afro”60 mag, ging es dabei um mehr als nur um Schönheit. Es ging darum, den westlichen Ästhetik-Standards zu trotzen und ihr Schwarzsein zu feiern, es ging darum, dass sie die Haare ihres Kindes nicht durch Gel und Kämmen glätten würde, wie es einige Petitionen im Internet wie „Comb Her Hair“ auf Change.org forderten.61 Die Reduktion auf benannte Merkmale – in unserem Fall Afrohaare – ist sowohl online als auch offline spürbar. Noch heute werden viele Schwarze aufgrund ihrer Haare von der Schule suspendiert, es wird ihnen ein Job verweigert oder gekündigt.62 2016 ging ein US-Bundesgericht so weit, dem Verbot von Locs63 am Arbeitsplatz aufgrund einer „Race-Neutral Grooming Policy“ gesetzlich stattzugeben, als sich eine afroamerikanische Bewerberin weigerte, ihre Locs zur Ausübung ihrer Arbeit abzuschneiden.64 Ein Zitat aus der Policy des Unternehmens lautet:

All personnel are expected to be dressed and groomed in a manner that projects a professional and businesslike image […]. [H]airstyle should reflect a business/professional image. No excessive hairstyles or unusual colors are acceptable[.]65


Die Haare in Locs zu tragen, ist weder unprofessionell noch ungewöhnlich oder ‚zu viel’. Es ist eine natürliche und jahrtausendealte Methode, um (afro-texturiertes) Haar zu frisieren. Die Rastafari-Bewegung, die während der industriellen Revolution in Jamaika weit verbreitet wurde, hat eine tiefe spirituelle Konnotation.66 So stehen sogenannte ‚Dreadlocks’ innerhalb der Rastafari-Doktrin für eine Interpretation eines religiösen, biblischen Gebots, welches das Abschneiden von Haaren verbietet und die Nähe zum Schöpfer symbolisieren soll.67 Zu Beginn der Bewegung nannten sich ihre Anhänger:innen ‚Dreads’, dessen Bedeutung sich ungefähr in „Respekt vor Gott“ übersetzen lässt.68 Das Verständnis von Locs weist außerdem klare Parallelen zur Afro-Hair-Ideologie auf: Dreads beziehen sich in ihrer Strukturform auf das ‚Naturgegebene’, weil sich die kleinen Locken durch ihre Textur fast von alleine in eine organische ‚verfilzte’ Form einfinden. Der natürliche Prozess des ‚Verfilzens’ zeigt Afrohaare in ihrem unbehandelten Zustand, wie es bei glatten oder weniger lockigen Haaren von weißen Menschen nicht möglich ist.


Locs.
Foto von der Autorin.


Da wo der Afro durch seinen Namen und durch seine Politisierung zur Zeit der Black-Consciousness-Bewegung eine Verbindung mit Afrika und der Civil-Rights-Bewegung suggerierte, implizierte die Ästhetik der Dreadlocks ebenso eine symbolische Rückbesinnung zum Naturgegebenen und Afrika sowie eine religiöse Verbindung durch die Neuinterpretation der biblischen Erzählung.69 Während Locs ab den 1940er-Jahren weltweit an Popularität gewannen, verloren sie mehr und mehr ihre religiöse Semiotik. Zudem wurde der Rastafarianismus als Bedrohung für das Christentum angesehen, was zu einer von außen indizierten Um- und Abwertung des Dreadlock-Begriffs führte.70 Eine Neubelegung von ‚Dreadlocks’ zu ‚dreadful’, das so viel bedeutet wie furchtbar, schrecklich oder angsteinflößend, war die Folge.71 Wird heutzutage also eine Schwarze Person wegen ihrer Locs als unprofessionell betitelt, dann zeigt sich daran erneut die gewaltvolle Forderung der Dominanzgesellschaft nach Unterordnung, welche Schwarze Schönheitsideale verdrängt und westliche Ästhetik priorisiert. Begriffe wie Afro, Dreads und Natural Hair können nicht nur identitätsstiftend sein, allein durch ihre Existenz verdeutlichen sie die fortwährende Suche nach dem ‚Ursprung’, der gemeinsamen Historie.

Verschleierungen dieses ‚Ursprungs’ durch die Dominanzgesellschaft lassen sich etymologisch und praktisch an weiteren Beispielen festmachen. Vor ein paar Jahren bin ich über einen Artikel des deutschen Jugendmagazins Ok! gestolpert, den ich bis heute nicht vergessen habe. Er beginnt mit der Überschrift:

Boxer Braids: So flechtest du die Trend-Frisur der Stars. Wer jetzt in sein will, braucht Boxer Braids. Kim Kardashian, 35, hatte sie als eine der ersten, dann kamen ihre Schwestern, andere VIP-Ladys zogen nach und jetzt bist du dran! Denn wer heute hip sein will, braucht genau diese Frisur! […].72


Kim Kardashian war natürlich nicht die erste, die ‚Boxer Braids’ trug. Schon in der altägyptischen Ikonographie sind Menschen mit Cornrows zahlreich dargestellt. Viel wichtiger ist jedoch die Entstehung des Namens ‚Cornrows’, der auf die Geschichte der Sklaverei verweist. Die Frisur trägt ihren bezeichnenden Namen, weil die geflochtenen Reihen auf dem Kopf den Reihen der Kornfelder auf den Sklav:innen-Plantagen ähnelten.73 Es kommt zu einem Reframing, bei dem sowohl der Name als auch die Herkunft der Frisur verschleiert wird. Kim K. wird nicht nur als ‚neue’ Trendsetterin von ‚Boxer Braids’ zelebriert, sie ist außerdem nicht-Schwarz, was das Tragen von Cornrows zu einem problematischen Akt kultureller Aneignung macht. Lauren Michele Jackson führt in ihrem Buch White Negroes an, warum kulturelle Aneignung bei Kim K. höchst problematisch ist:

An Armenian American with an Armenian name and brown features, Kim’s distance from whiteness, however relative, made her a person of interest, revulsion, and desire. She’s leveraged this intersection her entire career, ethnic but not too much so, supplying the spice America so craves without tipping into the jungle. As her facial features evolved closer to the Western ideal, her hips grew wider, ass larger, and style more in common with hip-hop’s video baddies.74


Kim K. profitiert von ‚Hood-Styles’, einer Schwarzen Ästhetik und westlich gelesenen Zügen, indem sie sich die von der weißen Mehrheitsgesellschaft ‚erwünschten’ Features regelrecht auswählt. Höchst problematisch ist außerdem die Bezeichnung der Frisur als ‚hip’ und im ‚Trend’ liegend, wenn das Tragen von Cornrows für eine Schwarze Person immer auch mit der potenziellen Gefahr von Diskriminierung einhergeht, wohingegen die Frisur bei nicht-Schwarzen Individuen als ‚Trend’ gilt, sobald eine prominente Persönlichkeit wie Kim K. mit knapp 250 Millionen Instagram-Abonnierenden sie trägt. Wir erinnern uns: Die Frisur, die afrokolumbianischen Sklav:innen in der Vergangenheit als Versteck und Kommunikationskanal diente, wird zum ‚Boxer Braids’-Accessoire und Verkaufsschlager, das je nach Belieben und ‚Trend’ an- und ausgezogen werden kann – wie ein Kostüm.


“Don’t let those other boys* fool you, gotta love that Afro hairdo.”

Natural Hair-Pride, zu dessen Herausbildung und Durchsetzung u.a. die Black-Conciousness-Bewegung der Vergangenheit entscheidend beigetragen hat, gibt uns einen neuen Zugang zur anti-rassistischen Ästhetik. Die Verschiebung von fremdbestimmter hin zu einer selbstbestimmten Repräsentation erweitert ästhetische Vorstellungsräume. Praktiken des Flechtens, Glättens und Filzens von Afrohaar kommen innerhalb einer komplexen Ökonomie symbolischer Codes zum Einsatz, in der sich Afrohaar-Ästhetik immer wieder aufs Neue kollektiv erschafft und erfindet. Durch fortwährende politische und historische Identitätsverhandlungen, die sowohl intellektuell als auch visuell ausgetragen werden, entsteht und besteht auch in Deutschland ein Schwarzes (Selbst-)Bewusstsein. Das Tragen von Natural-Hairstyles gewährt der diasporischen Identität, die teilweise als zerrissen und nicht dazugehörig empfunden wird, Identifikationsmöglichkeiten. Heute sind Afrohaarstile durch ihren synkretistischen Charakter kulturelle Produkte einer neuen Welt. Sie sind durch die Einflüsse der Interkulturation und dem widersprüchlichen Zusammenspiel von Aneignung und subalterner Gegenaneignung entstanden. Afro-Hairstyles sind hybrid und spiegeln damit die Erfahrungswerte Schwarzer Menschen in der Diaspora wider. So ist ihre Ästhetik ein dynamischer Prozess der subalternen Artikulation und Akkulturation. Es ist ein Prozess der Bedeutungszuschreibung und der (Re-)Positionierung. Afrohaare und die ihnen zugeschriebene Semantik wurden durch ihre Dekonstruktion sowohl zum Mittel als auch zum Produkt der Emanzipation von weißer Hegemonialästhetik. Der Gegendiskurs ‚Afro-Hair’ greift das rassisierte Repräsentationssystem an und dient uns als Raum für Diskurs und symbolisiert unsere Selbstdefinition. Indem wir mit Stolz unser Afrohaar tragen, treten wir dem exkludierenden eurozentrischen Narrativ mit selbstbestimmter Imagologie entgegen. “Don’t let those other boys fool you, gotta love that Afro hairdo,” singt Corinne Bailey Rae in ihrem Song Put Your Records On von 2006. Und was soll ich sagen?

Sie hat absolut Recht damit!


Victoria Caroline Parker ist freischaffende Autorin mit Schwerpunkten in Formen und Praktiken visueller Kultur. Nach ihrem Literatur- und Geschichtsstudium an der Universität zu Köln schließt sie aktuell ihr Mastertudium in Medienkulturanalyse an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ab. Sie interessiert sich für Themen wie Identität, Selbst- und Fremdzuschreibung in gesamtgesellschaftlichen Strukturen und befasst sich mit (post-)kolonialen Strukturen, Gender, Race- & Queer Studies, sowie dem aktuellen politischen Geschehen und dessen medialen Darstellungsformen. Dabei ist ihr wichtig, auf Missstände und sich wiederholende kolonial-hegemonial aufgeladene Narrative aufmerksam zu machen und sich im Alltag sowie in der Wissenschaft mit rassistischen, diskriminierenden Strukturen auseinanderzusetzen und diese zu kommunizieren.



1 Kobena Mercer, “Black Hair/Style Politics,” New Formations 3, Travelling Theories (Winter 1987): 37.
2 Der Begriff ‚Rasse ist gerade im Zusammenhang mit der (deutschen) Vergangenheit mit Vorsicht zu verwenden, da er aus historisch-gesellschaftlichen Gründen unterschiedlich konnotiert wird. Ich möchte jedoch von der pejorativen Bedeutung des Wortes abweichen und es gebrauchen. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, auf den englischen Terminus race zu verzichten und stattdessen den deutschen Begriff der Rasse zu verwenden, da sich die Arbeit auf den deutschen Kontext bezieht und daher auch die politische und historische Dimension des deutschen Begriffs miteinbezogen werden muss. Vgl. Susan Arndt, „Weißsein. Die verkannte Strukturkategorie Europas und Deutschlands,“ Mythen, Masken und Subjekte, Hrsg. dies., Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche (Münster: Unrast, 2015).
3 vgl. Richard Dyer, White: Twentieth Anniversary Edition (New York: Routledge, 2017): 20.
4 Schwarz wird im Folgenden immer in Versalien geschrieben, da die Bezeichnung nicht ‚biologisch‘ attribuiert wird und es nicht nur um die Hautfarbe Schwarzer Menschen, sondern auch um die politische und historische Implikation dessen geht. Die Selbstbezeichnung Schwarz ist von dem Adjektiv schwarz zu unterscheiden, weil das Adjektiv lediglich die Farbe bezeichnet und keine sozialpolitische Bedeutungsebene aufweist. Vgl. Noah Sow, Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus (Norderstedt: Books on Demand, 2018).
5 vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 36.
6 vgl. ebd., 34.
7 vgl. Edward W. Said, Culture and Imperialism (New York: Vintage Books, 1994): xxi u. 50.
8 weiß wird im Folgenden immer kursiv geschrieben und markiert, um darauf aufmerksam zu machen, dass Weißsein als soziale und politische Konstruktion häufig unmarkiert/unbenannt ist, da es einer vermeintlichen ‚Norm‘ entspricht. Vgl. Sow, Deutschland Schwarz Weiß.
9 Said, Culture and Imperialism, 50.
10 Stuart Hall, Representation: Cultural Representations and Signifying Practices (London: SAGE Publications, 1997): 267.
11 Der Begriff ‚Subalternewird hier angelehnt an Spivaks „Can the Subaltern Speak?“ verwendet. Fehlende Artikulationsmöglichkeit und nicht-Repräsentanz durch ‚Unsichtbarkeit‘. Schwarze Menschen in Deutschland sind im Vergleich zur Dominanzkultur dem subalternen Raum zuzuordnen. Vgl. Gayatri Chakravorty Spivak, Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation (Berlin: Turia + Kant, 2020).
12 Ich schreibe hier aus meiner Perspektive als Schwarze, weiblich gelesene Person in Deutschland.
13 Bell Hooks, Black Looks: Race and Representation (Boston, MA: South End Press, 1992): 4.
14 vgl. ebd.
15 vgl. ebd.
16 Dina Aboul Fotouh Hussein Salama, „Die literarische Imagologie dunkelhäutiger Frauen in Strickers Königin von Mohrenland(zw. 1210-1230).” Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 6, no. 1 (2015): 27. „Im allgemeinen Bildungsbewusstsein bezeichnet Kalokagathie ein Persönlichkeitsideal, das ästhetische und moralische Elemente von Vorzüglichkeit miteinander verknüpft.” Christoph Horn, „Kalokagathie,“ Hrsg. Otto Depenheuer, Staat und Schönheit: Möglichkeiten und Perspektiven einer Staatskalokagathie (Wiesbaden: Springer, 2005): 23.
17 vgl. Dyer, White, 15 ff.
18 vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 35.
19 vgl. ebd., 36.
20 vgl. Caroline M. Dillman, Southern Women (London: Taylor & Francis, 2013): 53.
21 vgl. Lina María Vargas Álvarez, Poética del peinado afrocolombiano (Bogotá: Universidad Nacional de Colombia, 2003): 158 f.
22 vgl. Vargas Álvarez, Poética del peinado afrocolombiano, 120 f.
23 Arndt, „Weißsein,“ 26.
24 Da das westliche Wertesystem seit der Kolonialisierung auf einer Abstufung beruht, die jegliche physische und kulturelle Differenz zur weißen, männlichen ‚Norm‘ denunziert, ist an dieser Stelle außerdem zu erwähnen, dass insbesondere Schwarze Frauen*, bedingt durch ihre äußerliche und geschlechtliche Differenz zur Dominanzkultur, zu einer Art ‚Gegentyp’ wurden.
25 vgl Floyd James Davis, Who is Black? One Nations Definition (Pennsylvania: Pennsylvania State University Press, 1991): 55.
26 vgl. G. Reginald Daniel, More Than Black: Multiracial Identity & New Racial Order (Philadelphia: Temple University Press, 2002): x.
27 vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 36.
28 vgl. ebd., 35.
29 vgl. Fitzwilliam Museum, Cambridge, “Origins of the Afro Comb: 6,000 years of culture, politics and identity,” Fitzmuseum UK, 02.07.2013, https://www.fitzmuseum.cam.ac.uk/calendar/whatson/origins-afro-comb-6000-years-culture-politics-and-identity.
30 vgl. ebd.
31 vgl. ebd.
32 Tracey Owens Patton, "Hey Girl, Am I More than My Hair?: African American Women and Their Struggles with Beauty, Body Image, and Hair," NWSA Journal 8, no. 2 (2006): 38.
33 vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 37.
34 ebd. Wichtig ist, hervorzuheben, dass Mercer alle Black-Hairstyles als politisch ansieht, da sie eine Reaktion auf unterschiedliche historische Kräfte artikulierten. Deswegen weisen Black-Hairstyles immer eine persönliche und eine politische Ebene auf.
35 Eine ähnliche Bewegung lässt sich in anderen Ländern der Diaspora erkennen: In der karibischen Rastafari-Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre beispielsweise. Eine Liberalisierung von westlichen Schönheitsidealen hin zum Afrolook fand außerdem auch in der ’bloco afro’-Bewegung in Brasilien der 1970er-Jahre statt. Vgl. Shirley Anne Tate, Black Beauty: Aesthetics, Stylization, Politics (Farnham: Ashgate Publishing Ltd., 2009): 37 f.
36 vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 37.
37 Die USA bspw. mit der Plantagensklaverei im eigenen Land, der Jim-Crow-Ära und der Civil-Rights-Bewegung im Vergleich zu Deutschland mit dem deutschen Kolonialreich, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, der NS-Ideologie und der Ost-Westdeutschen-Teilung.
38 vgl. Dyer, White, 3 f.
39 Der Begriff ‚Kulturkapital’ ist hier angelehnt an Pierre Bourdieu, der von einem ‚inkorporierten’, personengebundenen Kapital spricht. Demnach bezeichnet das Kulturkapital auch eine bestimmte kulturelle Prägung. Es gilt zu erwähnen, dass Hautfarbe, Gender und Sexualität aufgrund der politischen, sozialen und historischen Implikationen auch inkorporiert sind. vgl. Pierre Bourdieu, „Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital” Handbuch Bildungs- und Erziehungssoziologie (Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2012): 229 ff.
40 Subalternität: Fehlende Artikulationsmöglichkeit und nicht-Repräsentanz durch ‚Unsichtbarkeit‘. Schwarze Menschen in Deutschland sind im Vergleich zur Dominanzkultur dem subalternen Raum zuzuordnen. Vgl. Spivak, Can the Subaltern Speak?.
41 vgl. Aboul Fotouh Hussein Salama, „Die literarische Imagologie dunkelhäutiger Frauen,“ 9.
42 vgl. Sander L. Gilman, On Blackness Without Blacks: Essays on the Image of the Black in Germany, (New York: G.K. Hall, 1983) Preface.
43 vgl. May Ayim, „Das Jahr 1990. Heimat und Einheit aus afro-deutscher Perspektive,“ Hrsg. Ika Hügel-Marshall et al. Entfernte Verbindungen. Rassismus, Antisemitismus, Klassenunterdrückung (Berlin: Orlanda-Frauenverl., 1993/1997): 208 ff.
44 vgl. Brigitte Hipfl, „Mediale Identitätsräume. Skizzen zu einem ‚spatial turn’ in der Medien- und Kommunikationswissenschaft,“ Hrsg. Hipfl et al., Identitätsräume (Bielefeld: transcript Verlag, 2015): 23 f.
45 vgl. David Morley u. Kevin Robins, Spaces of Identity: Global Media, Electronic Landscapes and Cultural Boundaries (New York: Routledge, 1995): 6 ff.
46 vgl. Sabine von Dirke, „Hip-Hop Made in Germany: From Old School to the Kanaksta Movement”, 96 f.
47 ebd.
48 Ich möchte an dieser Stelle nicht auf das viel diskutierte Thema der kulturellen Aneignung zu sprechen kommen, da ich finde, dass ich diesem komplexen Diskurs unter Berücksichtigung meiner Fragestellung und in dem Rahmen dieses Essays nicht gerecht werden kann.
49 vgl. Philipp Khabo Koepsell, Afro Shop (Hamburg: epubli, 2014), Vorwort.
50 Whitney Bellinger, “Why African American women try to obtain ‘good hair,’” Sociological Viewpoints, University of Pittsburgh at Bradford (Herbst 2007): 66.
51 vgl. Cameron Jackson, “YouTube Communities and the Promotion of Natural Hair Acceptance Among Black Women,” Elon Journal of Undergraduate Research in Communications 8, no. 1 (2017): 48.
52 vgl. Hipfl, Mediale Identitätsräume, 26.
53 vgl. Francesca Sobande, “Watching me watching you: Black women in Britain on YouTube,” European Journal of Cultural Studies 20, no. 6 (2017): 665 f.
54 vgl. ebd. 668 f.
55 edb. 665 ff.
56 Gesa Ufer, „Afro-Haarkunde ist in Deutschland noch wenig bekannt,“ Deutschlandfunk Kultur, 05.07.2021, https://www.deutschlandfunkkultur.de/friseur-ausbildung-afro-haarkunde-ist-in-deutschland-noch.2156.de.html?dram:article_id=499800.
57 vgl. Hadija Haruna-Oelker, „In Bewegung. Die neue Rassismus-Debatte,“ Heinrich Böll Stiftung, Migrationspolitisches Portal, 22.07.2020,https://heimatkunde.boell.de/de/2020/07/22/in-bewegung-die-neue-rassismus-debatte.
58 Ann-Katrin Koster, „Das radikaldemokratische Moment von Hashtag-Aktivismus,“ Forschungsjournal Soziale Bewegungen 33, no. 2, (2020): 450.
59 Black and Indigenous People/Person(s) of Color.
60 Babyhaar (engl. baby hairs) meint hier nicht die Haare eines Babys. Es ist eine Bezeichnung, die verwendet wird, um die kurzen, dünnen Haare am Ansatz des Kopfes zu beschreiben, die bei Afrohaar aufgrund der lockigen Textur nicht am Kopf anliegen, sondern von Natur aus vom Kopf abstehen. Sie werden deswegen häufig durch Gel und anderen Glättungsmethoden an den Kopfansatz ‚gelegt’.
61 vgl. Julee Wilson, “Blue Ivy’s Hair Sparks Ridiculous Change.Org Petition, And We’re Disgusted,” Huffpost Black Voices, 11.06.2014, https://www.huffpost.com/entry/blue-ivy-petition-comb-her-hair_n_5483765.
62 vgl. United States Court of Appeals for the Eleventh Circuit, No. 14-13482: Equal Employment Opportunity Commission versus Catastrophe Management Solutions. Appeal from the United States District Court for the Southern District of Alabama, 15.09.2016, 5-35, https://media.ca11.uscourts.gov/opinions/pub/files/201413482.pdf.
63 Der Begriff ‚Locs’ wird hier verwendet, da der Begriff ‚Dreadlocks keine wertneutrale Bezeichnung ist. Dazu mehr im folgenden Abschnitt.
64 vgl. The United States Court of Appeals for the Eleventh Circuit, No. 14-13482, 5-35.
65 ebd., 5.
66 Sie zieht ihren Glauben sowohl aus Teilen des Alten Testaments als auch aus Glaubenssätzen hinduistischer und afrikanischer Kulturen. Vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 40 ff.
67 vgl. ebd.
68 vgl. ebd.
69 vgl. ebd.
70 vgl. ebd.
71 Ciani-Sophia Hoeder, „Ist es ok ‚Dreadlocks‘ zu sagen?,“ rosa-mag.de, 05.06.2019, https://rosa-mag.de/ist-es-ok-dreadlocks-zu-sagen/.
72 Anna-Lisa, „Boxer Braids: So flechtest du die Trend-Frisur der Stars. Wer jetzt in sein will, braucht Boxer Braids,“ ok-magazin.de, 10.03.2016, https://www.ok-magazin.de/style/beauty/boxer-braids-so-flechtest-du-die-trend-frisur-der-stars-39815.html.
73 vgl. Mercer, “Black Hair/Style Politics,” 40 ff.
74 Lauren Michele Jackson, White Negroes: When Cornrows Were in Vogue ... and Other Thoughts on Cultural Appropriation (Boston, MA: Beacon Press, 2019): 69 f.


Journal der Freien Universität Berlin

Berlin, 2024