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Wil-o-Wisp – Von Irrlichtern und Sternenhimmeln
Über die Rolle des Magischen in der Geschichte der Wahrheitsregime


von Anna Kipke

Über Wahrheitsregime und Magie

In der Folklore und im Aberglauben bezeichnet Will-o-the-Wisp, auch ignis fatuus (lat.), phosphoreszierende Lichter über Mooren und Sümpfen. Folkloristischen Legenden zufolge gebrauchten arglistige oder verdammte Elfen und Kobolde diese Irrlichter, um Reisende auf den falschen Pfad zu führen und in die Irre zu leiten.1 Tatsächlich entstehen die phosphoreszierenden Lichter bei der Verbrennung von organischem Material in Verbindung mit den in Feuchtgebieten vorhandenen Gasen. Aus etymologischer Sicht ist bereits in frühen Überlieferungen die Bedeutung des Begriffs der „Irrlichter“ im 17. Jahrhundert eng mit dem Zustand der Verwirrung und dem „geistig vom rechten Weg abkommen“ verbunden. Im 18. und 19. Jahrhundert begannen dann häufiger die Begriffe des „Irrenhauses“ und der „Irrenanstalt“ zu zirkulieren sowie die Begriffe des „Irrsinns“ und „Wahnsinns“ im Kontext der „Geistesgestörtheit“.2 Kurz, Irrlichter sind nicht nur folkloristische Erscheinungen der Frühen Neuzeit, sondern scheinen in einer Linie mit dem Wahnsinn zu stehen. Obwohl es von wenig „Vernunft“ zeugt, den Irrlichtern als Zeichen der Täuschung und Torheit zu folgen, setzt der vorliegende Essay an dieser Stelle an. Als Kontrapunkt der Licht bringenden Aufklärung verweisen Irrlichter auf eine unheimliche, verdeckte Seite der Moderne, welche die US-amerikanische Künstlerin Rachel Rose in ihrem Film Wil-o-Wisp (2018) in den Blick nimmt. In dem Film zeigen sich Irrlichter in mehreren Formen: zum einen in Form von weißen Gestalten, die sich in einer Szene tanzend durch das Bild bewegen, zum anderen in moirierten Rauchschwaden, welche die Betrachter:innen in das Bild hineinlocken und an Arnold Böcklins Gemälde Das Irrlicht (Abb. 1) von 1892 erinnern, in dem ein ahnungsloser Wanderer einer weißen Geistergestalt in die Tiefen des Waldes folgt. Sie zeigen sich außerdem in Form einer Lichtquelle, die sich gleißend als Quelle der Projektion entlarvt. Roses Interesse an Magie, Okkultismus und Animismus ist eng mit der Rationalität der Aufklärung verbunden und greift den (im europäischen Kontext) letzten3 und folgenreichen Kampf gegen die Magie in der Geschichte der Wahrheitsregime im 16. und 17. Jahrhundert auf.

Arnold Böcklin: Das Irrlicht, 1862, Öl auf Leinwand, 58 x 79 cm, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, MGS 1397


Irrlichter lassen sich als Phänomene unter den Begriff des Okkultismus (occultus (lat.): geheim, verborgen, dunkel) einordnen, mit dem unterschiedlichste Praktiken und Erscheinungen der verborgenen, geheimen Wirklichkeit des Mystischen, Magischen und Übersinnlichen bezeichnet werden.4 Im erweiterten Sinne lassen sich Okkultismus und Magie als Grenzerfahrungen mit den unsichtbaren Aspekten der Wirklichkeit beschreiben, deren Realität in westlichen Gesellschaften bis ins 19. Jahrhundert wenig angezweifelt wurde, aber beginnend mit dem 17. Jahrhundert zunehmend an Achtung verlor.5 Im Anschluss an Bjørn Thomassens Auseinandersetzung mit dem Konzept der Liminalität und seiner Annahme, dass es ein wesentliches Kennzeichen der Moderne sei, Grenzerfahrungen6 auszuschließen, stellt sich die Frage, inwieweit die Verdrängung des Glaubens an Magie wesentlich mit der Konstituierung einer rationalen Regierungsweise in der Aufklärung verbunden ist. In der Geschichte der Gouvernementalität7 untersucht Michel Foucault mit dem Begriff der Regierung die Mechanismen und Prozeduren, die dazu bestimmt sind, Menschen zu führen und ihr Verhalten zu lenken und zu steuern. So beschreibt er die Geburt der Staatsräson im 17. Jahrhundert nicht als Theorie oder Vorstellung vom Staat, sondern als eine von Rationalität geprägte Regierungskunst.8 In den darauffolgenden Vorlesungen am Collège de France der Jahre 1979–1980 stellt Foucault die These auf, dass es einen Zusammenhang zwischen Machtausübung beziehungsweise Regierung und Wahrheitsmanifestation gibt9 und dass die Beziehung zwischen Regierung und Wahrheit nicht erst mit der Entwicklung der rationalen Gouvernementalität beginnt.10 Der Begriff des Wahrheitsregimes wird in dieser Phase zu seinem zentralen Analyseinstrument, mit dem er die Verfahren der Wahrheitsmanifestationen (oder Alethurgien) im Wahrheitsregime des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten untersucht.11 Seine Analyse fokussiert sich auf das Geständnisregime und seine drei großen Praktiken der Taufe, kirchlichen Buße und Gewissensführung, um über die Mechanismen des Geständnisses eine Geschichte der Beziehungen zwischen Wahrheit und Subjekt im christlichen Abendland zu schreiben. Das Wahrheitsregime bezeichnet dann „die Gesamtheit der Verfahren und Institutionen […], durch die die Individuen dazu verpflichtet und gezwungen werden, unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Effekten, genau definierte Wahrheitsakte zu vollziehen.“12 Grundsätzlich impliziert jede Machtausübung eine Wahrheitsmanifestation, die sich notwendigerweise in der Form der Subjektivität ausdrückt und deren Effekte über nützliche Erkenntnisbeziehungen hinausgehen.13 Somit ist die zentrale Forschungsfrage für Foucault die Frage nach der „Regierung der Menschen durch die Manifestation der Wahrheit in Form von Subjektivität“.14

Welche Rolle spielt Magie in der Geschichte der Wahrheitsregime? Um dieser Frage nachzugehen, untersuche ich anschließend Kämpfe gegen magische Praktiken und deren Folgen in der Geschichte der Wahrheitsregime. Im ersten Teil des Textes nehme ich den Film Wil-o-Wisp als Ausgangspunkt, um den historischen Zusammenhang des Enclosure Movements und der Hexenverfolgung im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in England darzulegen. Mit der Perspektive der Theoretikerin Silvia Federici werden unter anderem die von einer kapitalistischen Produktionsweise abweichenden Ansichten der Magie deutlich. Im zweiten Teil vergleiche ich zwei historische Formen der Wahrheitsmanifestation. Die Perspektive von Michel Foucault ermöglicht es, die bekämpften und eliminierten Wissensformen innerhalb der Geschichte der Wahrheitsmanifestationen in den Blick zu nehmen. Die Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten liminaler Räume und Orte im Zuge einer theoretischen Schärfung des Randständigen und Dazwischen schließt unmittelbar daran an und erfolgt über die Auseinandersetzung mit drei Erscheinungen: der Landschaft als Folie der Sichtbarmachung einer magisch-animistischen Weltauffassung des 16. und 17. Jahrhunderts, dem gemalten Sternenhimmel des römischen Kaisers Septimus Severus sowie der Figur des Hirten in König Ödipus.15 These ist, dass mit der rationalen Regierungsweise die Verdrängung der Magie in der Geschichte der Wahrheitsregime einhergeht und zu einem Randständig-Werden von Wissensformen führt.

Von Irrlichtern in der Landschaft – Rachel Roses Wil-o-Wisp

Abb. 2: Installation View: Rachel Rose, Wil-o-Wisp, Video, 2018. (Minute 03:10)


In ihrem Film Wil-o-Wisp aus dem Jahr 2018 entwirft Rose (*1987) eine historische Fiktion, die der Mystikerin und Heilerin Elspeth Blake zwischen 1570–1603 in Somerset und Stogorsey in England folgt. In drei Sequenzen wird jeweils einer ihrer Lebensabschnitte gezeigt. Zunächst geht es um das Leben von Elspeth und ihrer Familie im Jahr 1570 in Somerset. Infolge eines Unfalls brennt das Haus auf gemeinschaftlich genutztem Land ab, dabei verstirbt ihre Familie. Am darauffolgenden Tag erscheint an den Überresten des Hauses eine Kuh. Die Dorfbewohner:innen vermuten, dass es sich um die Reinkarnation von Elspeth handelt. Der junge Präfekt proklamiert die Kuh als seinen Besitz. Drei Jahrzehnte später, im Jahre 1603, stößt eine ältere Frau mit dem Namen Elspeth zur Dorfgemeinschaft in Stogorsey hinzu. Im Dorf verbreitet sich das Wissen über ihre Heilkräfte. Schließlich wird Elspeth Opfer einer Verschwörung, die von Gier getrieben ist. Eine singende Erzählerinnenstimme erklärt, dass Elspeth von ihrem Nachbarn beschuldigt wurde, Erbsen von seinem Grundstück gestohlen zu haben. Mit diesem Vorwurf konfrontiert, belegt sie ihn mit einem Fluch. Ein weiterer Mann verweigert ihr, seine Pferde zu leihen. Eine Nacht später sterben die Pferde. Unter dem Eindruck dieser Geschehnisse wird sie des Dorfes verwiesen.

In Wil-o-Wisp verschränken sich die historischen Phänomene des Enclosure Movements, auch Einhegungen oder Einfriedungen genannt, und der Hexenverfolgung an der Wende des 16. zum 17. Jahrhunderts. Rose siedelt ihre historische Fiktion in einer Zeit großer Umbrüche an. Zum einen werden die tiefgreifenden materiellen Veränderungen der Lebensbedingungen thematisiert, die mit dem Ende der Allmende und damit dem Ende des gemeinschaftlich genutzten Landes zu Enteignungen und Vertreibungen führten wie Elspeth sie erlebt. Zum anderen erschließt sich mit Elspeths Tätigkeit als Mystikerin und ihren Fähigkeiten als Heilerin eine magisch-animistische Weltauffassung, die im Zuge der Hexenverfolgung eine beispiellose Auslöschung erfuhr. Rose visualisiert die vorherrschende animistische Weltauffassung dieser Zeit mit formalen Mitteln des frühen Kinos, optischen Effekten und dem spezifischen Einsatz von Musik. Im breiteren Kontext ihrer künstlerischen Praxis beschäftigt sie sich mit dem Übergang von einer animistischen zu einer rationalen Auffassung und dessen Einfluss auf die Gegenwart der Spätmoderne. In einem Interview beschreibt Rachel Rose diesen Einfluss als einen reduzierten Erfahrungshorizont: „We cut off a lot from our experience when we perform being in the world through what we see as rational now […].“16 Der Fokus in Wil-o-Wisp liegt auf Magie, Okkultismus und Animismus. Diese drei Schwerpunkte werden nicht nur auf der Ebene der Erzählung, sondern auch als optische Phänomene thematisiert und damit zu einer Wahrnehmungsfrage gemacht. Die Landschaft spielt in dem Film eine besondere Rolle, da über sie die magisch-animistische Weltauffassung sichtbar gemacht wird. Die drei wichtigsten Aspekte sind die Rückprojektion (engl. rear projection), bildnerische Mittel wie Farbsättigung, Moiré sowie Musik. Die Rückprojektion ist eine statische Projektion von Filmaufnahmen auf eine Projektionsfläche von hinten, die schon in Fritz Langs Metropolis (1927) zu sehen war. Da sie den technisch-finanziellen Aufwand reduzierte, kam sie im klassischen Hollywoodkino häufig zum Einsatz und prägte dieses nachhaltig. Ein prominentes Beispiel für den Einsatz von Rückprojektionen findet sich bei den Autofahrten in den Filmen Alfred Hitchcocks, in denen Projektionen von Stadt- und Landschaftsaufnahmen als Hintergrund für die Studioaufnahmen dienen. Die Filmtheoretikerin Laura Mulvey arbeitet heraus, dass durch den dramatischen Gegensatz zwischen der dokumentarischen Landschaftsaufnahme und der Künstlichkeit der Studioszene eine „zeitliche Ent-Ortung“ stattfindet. Entgegen der Intention, durch die Studioaufnahme die Fiktion des Films zu verbergen, wird sie en face mit der Stadt- und/oder Landschaftsansicht künstlich. In Actionszenen und Verfolgungsjagden mit höchster Geschwindigkeit und Beweglichkeit wirkten die Darsteller:innen wie auf einem tableau vivant fixiert und unbeweglich.17


Abb. 3: Installation View: Rachel Rose, Wil-o-Wisp, Video, 2018. (Minute 07:35)


In Wil-o-Wisp kommt diese Technik an den Übergängen zwischen den erzählten Lebensabschnitten Elspeths zum Einsatz. In allen vier Einstellungen mit Rückprojektion sitzt die Figur der Elspeth in gleicher Haltung im Bildvordergrund. Auf der Projektionsfläche im Bildhintergrund, die als ganze Fläche sichtbar ist, erscheint einmal eine Landschaftsansicht (Abb. 2), dann eine Dorfansicht mit der sichtbaren Lichtquelle des Projektors (Abb. 3) und schließlich eine Filmaufnahme aus William Shakespeares A Midsummer Night’s Dream18 aus dem Jahre 1935 (Abb. 4). Rose kehrt das Prinzip der Rückprojektion um und führt so die vielfältigen Belebungsmöglichkeiten von Landschaft vor Augen. Sie ist nicht bloß konstante, passive, unbelebte Fläche, die nur als Hintergrund für Dramaturgie und Ereignis dient, sondern wird zur veränderlichen Fläche und Trägerin der Handlung. Diese Verschiebung ist subtil und doch folgenreich. Die vor der projizierten Landschaft sitzende Elspeth verstärkt diesen Effekt, da erst durch ihren Stillstand die Bewegung, Dynamik und Wandelbarkeit der Landschaft(-sfläche) sichtbar wird. Zudem wird die Landschaft durch eine erhöhte Sättigung mit Farbe „aufgeladen“ und dadurch belebt. Das geriffelte Interferenzmuster des Moiré und der Einsatz ovaler Glasobjekte bei der Installation des Films im Ausstellungsraum tragen zu einer Reflektion und Verzerrung des Bewegtbildes bei (Abb. 5). Die starke Betonung dieser optischen Effekte ist mit alchemistischen Praktiken verbunden, denen die magische Fähigkeit zugeschrieben wird, Visionen und Prophezeiungen zu beschwören.19 Ein letzter Aspekt der belebten Landschaft findet sich in der Musik. Mit der ikonischen Titelmusik Blue Shadows and Purple Hills von Alex North aus dem Film Spartacus20 von 1960 referiert Rose auf die Wirkmacht der Romantisierung und Emotionalisierung von Landschaft. In einem weiteren Schritt macht sie einen historischen Bezug: Auf Grundlage ländlicher Gesänge der Frühen Neuzeit verfasste der Lyriker Josh Stanley in Roses Auftrag ein Gedicht im jambischen Maß, das Isaac Jones in eine Melodie transponierte. Von der Erzählerinnenstimme gesungen, bildet sie die Grundlage der Erzählung im Film.21


Abb. 4: Installation View: Rachel Rose, Wil-o-Wisp, Video, 2018. (Minute 09:10)


Die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert markiert einen wichtigen Zeitpunkt im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus: Mit dem Enclosure Movement geht die Auflösung der Allmenderechte in der englischen Landwirtschaft einher. Infolge dieser Privatisierung des Bodens und der zunehmenden Kommerzialisierung der Landwirtschaft beschreibt Karl Marx mit seinem Begriff der ursprünglichen Akkumulation diesen historischen Prozess als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Industriellen Revolution.22 Silvia Federici stellt die These auf, dass die Hexenverfolgung, der Sklav:innenhandel und die Einhegungen zentrale Aspekte in der Akkumulation und Entstehung des neuzeitlichen Proletariats darstellen. Im Anschluss an Marx’ ursprüngliche Akkumulation und Foucaults Analyse der Disziplinierung und Machttechniken über den Körper stellt sie die Hexenverfolgung in den Kontext der demographischen und wirtschaftlichen Krise des 16. und 17. Jahrhunderts und nimmt eine Analyse der Boden- und Arbeitspolitik des merkantilistischen Zeitalters vor.23 Federici kritisiert unter anderem, dass Foucault die Hexenverfolgung und die Diskurse der Dämonologie in seinen Schriften über den Übergang der Regierungsform der Staatsräson zur modernen Regierungsrationalität der Gouvernementalität im 18. Jahrhundert auslässt.24 Zwei Aspekte ihrer Argumentation sind im Hinblick auf die Fragestellung interessant. Zum einen unterstreicht Federici den Zusammenhang zwischen den Einhegungen und der Hexenverfolgung in England im 16. Jahrhundert: In Regionen mit kollektivem Landbesitz und starken verwandtschaftlichen Beziehungen zeigte sich keine Spur von Hexenverfolgungen; in Gebieten mit massiven Einhegungen und privatisiertem Boden hingegen gab es eine starke Hexenverfolgung, so zum Beispiel in Essex. Die Ausbreitung des ländlichen Kapitalismus, in Folge dessen es zu Landenteignung, der Vertiefung sozialer Abstände und dem Zusammenbruch kollektiver Beziehungen kam, traf vor allem arme, bäuerliche Frauen.25 Zum Höhepunkt der Hexenverfolgung zwischen 1580–163026 fiel die sozio-ökonomische Krise mit der hohen Preissteigerung für Lebensmittel und dem Ausbruch ländlicher sowie städtischer Revolten zusammen.27 Infolge der Privatisierung von Land und Landwirtschaft mit dem Verlust der Allmende, der Neuordnung der Familienstrukturen und Schwächung der Wohlfahrt, diente der Vorwurf der Hexerei und des Diebstahls dazu, den Angriff auf vermeintliches Eigentum zu bestrafen.28 Zum anderen analysiert Federici die Rolle der Magie, die aus drei Gründen für ihre Analyse produktiv ist. Erstens ist die Magie mit einem animistischen Naturbegriff verbunden, der keine Trennung von Materie und Geist zulässt und den Kosmos als lebendigen Organismus okkulter Kräfte imaginiert. Dieser Vorstellung nach verfügt jedes Element (wie Pflanzen oder Metalle) über verborgene Tugenden, die es zu entziffern und beherrschen gilt. Zweitens steht die qualitative Auffassung der Magie von Raum und Zeit der Regulierung eines gleichförmigen Arbeitsprozesses entgegen, beispielsweise wenn Menschen der Auffassung sind, es gäbe gute und schlechte Tage zum Reisen. Drittens unterminiert die Magie das Prinzip der individuellen Verantwortung: „Die Magie verlagerte die Ursachen gesellschaftlichen Handelns in das Reich der Sterne, also außerhalb der Reichweite und Kontrolle des Menschen.“29 Folglich war die Auslöschung von magischen Praktiken eine notwendige Vorbedingung der kapitalistischen Rationalisierung von Arbeit. In diesem Kontext ist die Tatsache interessant, dass der Begriff der „Hexerei“ erst im Spätmittelalter entstand und auch die Magie erst im Zuge der Hexenverfolgung zur Zielscheibe wurde. Federici sieht die „unmittelbaren“ Ursachen dafür nicht im Mechanizismus und Rationalismus begründet. Ihre These ist, dass die Magie eine Existenzweise darstellte, welche die politische und wirtschaftliche Macht der Eliten bedrohte und aus diesem Grund ausgelöscht werden musste. Als die Hegemonie der herrschenden Klasse wiederhergestellt worden war, gingen die Hexenprozesse zu Ende.30

Abb. 5: Installation View: Rachel Rose, Wil-o-Wisp, Pilar Corrias, London. 22 February – 30 March 2019. Courtesy of the artist and Pilar Corrias, London. Photo: Damian Griffiths. https://www.pilarcorrias.com/exhibitions/rachel-rose-wil-o-wisp/


Über das Randständig-Werden der Magie im Zeitalter der Vernunft

Aus ihrer feministisch-marxistischen Perspektive nimmt Federici die aktiven Frontalzusammenstöße der Hexenverfolgung mit den Machtverhältnissen zum Ende des Feudalismus und dem Beginn der Entwicklung des Kapitalismus in den Blick. Sie schreibt diese Geschichte vor allem als eine Geschichte des Proletariats und macht sie zu einer Frage des Klassenkampfes. Foucault hingegen untersucht Widerstandsformen gegen die Macht der Regierungsweise und Verhaltensführung dieser Zeit. Er legt dar, wie die Regierungsform des Pastorats im Zuge der Umbrüche der sozialen und ökonomischen Strukturen in die Krise geraten ist und sie sich trotzdem zu einer Dimension der rationalen Gouvernementalität entwickelte.31 Die Pastoralmacht hat als Machttypus die Verhaltensführung von Menschen zum Gegenstand. Der Ursprung dieser pastoralen Regierungsweise orientiert sich an der Gewissensleitung und Seelenführung der vorchristlichen Zeit. In diesen hebräischen Gesellschaften war die Idee eines Herrschers als Hirte einer menschlichen Herde weit verbreitet. Seine Macht übte er nicht auf ein Territorium, sondern auf eine in Bewegung befindliche Herde aus. Im Gegensatz dazu regieren die griechischen Gött:innen in territorialer Art und Weise einen bevorzugten Ort wie einen Tempel oder eine Stadt. Folglich ist die Idee der Regierung der Menschen keine griechische oder römische Idee gewesen. Als Beispiel nennt Foucault die Metapher des Steuermanns in König Ödipus, der im Jahr 425 n. Chr. uraufgeführten Tragödie des griechischen Dichters Sophokles. Die Regierungsweise des Steuermanns zielt auf das Schiff und nicht auf die Seeleute. Übertragen auf Ödipus, den Herrscher der Stadt Theben, richtet sich seine Regierungsweise auf die Stadt Theben und nicht auf die dort lebenden Menschen. Die vorchristliche pastorale Macht ist eine wohltätige und individualisierende Macht, welche die Sorge um das Heil der Herde in den Mittelpunkt stellt.32 „Es ist also eine zielgerichtete Macht, die Macht, die auf jeden selbst gerichtet ist, auf die sie ausgeübt wird und nicht auf die Einheit eines gewissermaßen höheren Typs, wie die Stadt, das Territorium, den Staat, den Souverän.”33 Die Vorherrschaft der pastoralen Macht reichte vom 10./11. Jahrhundert bis ins 16. und 17. Jahrhundert hinein.34 Die Mechanismen der pastoralen Macht wurden über das „Relais der christlichen Kirche“ institutionalisiert und entwickelten sich so zu einem spezifischen und autonomen Machttypus.35 Zum Ende des Feudalismus kreuzt sich das Aufbrechen der feudalen Strukturen mit dem Streben nach einer Bündelung von staatlichem Einfluss und der Suche nach neuen Formen des Regierens. Mit dem Infragestellen der Seelenführung der Pastoralmacht in der Zeit der Reformation und Gegenreformation wurde eine religiöse Zerstreuung und Spaltung befürchtet.36 Foucault sieht die Gründe für diese Krise des Pastorats in mannigfaltigen Formen des Gegen-Verhaltens wie der Askese oder Mystik, Konflikten wie Bauernkriegen und anderen Arten der Revolte. Obwohl diese Widerstandsformen jeweils spezifisch sind, betrachtet er sie nicht als isolierte Phänomene. In besonderem Maße konkretisieren sich die Probleme vieler Revolten an den Frauen und ihrem Status in der zivilen oder religiösen Gesellschaft.37 Im Falle der Heilerin und Mystikerin Elspeth Blake zeigt sich, in welcher Art und Weise die Mystik als Form des Gegen-Verhaltens fungiert. Während sich die Seele im Christentum durch eine Reihe von Prüfungen und Geständnissen zu erkennen gibt, erkennt sich die Seele in der Mystik selbst. Im Pastorat wird die Kommunikation der Seele mit Gott über die Pastoren kontrolliert. In der Mystik hingegen existiert eine unmittelbare Kommunikation zwischen Gott und der Seele, was dazu führt, dass die Mechanismen und Institutionen der pastoralen Seelenführung überflüssig werden.38 Die vermeintliche Bedrohung, die von den Formen des Gegen-Verhaltens für die Lenkungs- und Führungsweisen der Kirche ausgeht, führt im Umkehrschluss zu den Versuchen, diese entweder zu inkorporieren oder auszulöschen.39

„Wie sich selbst regieren, wie regiert werden, wie die anderen regieren, durch wen regiert zu werden, muß man hinnehmen, was muß man tun, um der bestmögliche Führer [gouverneur] zu sein?“40, das sind laut Foucault die zentralen Fragen des 16. Jahrhunderts. Das Problem der Seelen- und Verhaltensführung, das Problem der Lenkung von Kindern, das Problem der Regierung von Staaten durch die Fürst:innen ist allgegenwärtig. Von der Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nimmt die Literatur über das Regieren zu.41 Jedoch bedeutete die Krise des Pastorats nicht sein Ende. Foucault konstatiert ein gesteigertes Interesse an Verhaltensformen und eine Intensivierung der Beziehung zwischen den Individuen und ihren Führer:innen. Das Reich und die Kirche als große Pole der historisch-religiösen Souveränität brechen in dieser Zeit auseinander und doch setzten sich die pastoralen Formen der Verhaltensführung weiter fort. Die Reformation und Gegenreformation hatten einen größeren Einfluss auf das spirituelle Leben der Menschen. Die Frage des „Wie sich verhalten?“ setzte sich auch außerhalb der kirchlichen Autorität fort und stellte sich für die Menschen im privaten und öffentlichen Bereich ihres Lebens.42

Geht also mit der Konstituierung einer Rationalität wie der Regierungsform der Staatsräson immer auch eine Bekämpfung von Alethurgien wie der Dämonologie, Wahrsagerei und Hexerei einher?43 Foucault greift in seinen späteren Vorlesungen der Jahre 1979 und 1980 die Hexenmeister:innen, Wahrsager:innen und Astrolog:innen auf, die er im Jahr 1978 noch als „große äußere Hemmnisse des katholischen und christlichen Pastorats“44 nicht thematisieren wollte. Die Adelshöfe der Renaissance waren Orte der Wahrheitsmanifestation und kulturelle Zentren. In Zeiten der ideologischen Zersplitterung der Reformation und Gegenreformation versammelten die Herrscher:innen Intellektuelle, Gelehrte und Kulturschaffende mit ihrem Wissen und ihren Praktiken um sich, ohne dass es zweckorientierte Gründe dafür gab und machten so ihre politische Macht gegenüber den alten feudalen Strukturen geltend. Nach dem Prinzip „wo es Macht gibt, […] muss das Wahre sein“45 waren Hexenmeister:innen, Wahrsager:innen und Astrolog:innen im Hofstaat der Fürst:innen bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts dauerhaft vorhanden. Erst mit der Konstituierung der zweckorientierten, rationalen Staatsräson geht die Vertreibung von Wahrsager:innen und Astrolog:innen am Hofe einher.46 Letztlich wirkte die Hexenverfolgung sowohl in Richtung der höheren Gesellschaftsschichten als auch in Richtung der Frauen, wie die Ausführungen von Federici und Foucault komplementär zeigen. Die Hexenverfolgung war ein Phänomen der Eroberung einer ganzen Bevölkerungsschicht, die im Mittelalter nur oberflächlich christianisiert worden war. In der Geschichte der Wahrheitsregime ist die Hexenverfolgung ein Beispiel für die Eliminierung einer Wahrheitsmanifestation im Zuge der Neuorganisation und Durchsetzung einer neuen Regierungsform.

Vom Sternenhimmel des Septimus Severus

Dass die Auseinandersetzungen mit Magie wie beispielsweise in Form von Hexenmeistern am fürstlichen Hofe oder im Falle der Mystikerin Elspeth Blake nicht nur Phänomene des 16. und 17. Jahrhunderts sind, sondern sich die Anfänge früher in der Geschichte der Wahrheitsregime finden, zeigt das Beispiel des römischen Kaisers Septimus Severus. Septimus Severus ist als afrikanischer Soldat zum Kaiser aufgestiegen und regierte an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert. In seinem Palast, an der Decke seines Audienzsaals, in dem er Recht sprach und Urteile verkündete, ließ Septimus Severus ein Bild des Sternenhimmels malen. Es war sein Geburtshimmel, die Konstellation der Sterne, unter der seine Geburt und somit sein Schicksal standen. Einen Teil des Sternenhimmels verbarg er vor der Öffentlichkeit. Es waren die Stunden des eigenen Todes, die er geheim hielt und die nur seinen Vertrauten im kaiserlichen Privatzimmer zugänglich waren. Septimus Severus schrieb sich mit seiner Rechtsprechung und Machtausübung in eine absolut sichtbare Weltordnung ein. Die Macht, die er am Boden manifestierte, konnte in der Nacht des Himmels entschlüsselt werden.47 Die magisch-rituelle Wahrheitsmanifestation von Septimus Severus ersetzte die vernünftige Ordnung der Welt der vorherigen Regierung Marc Aurels durch die magische Ordnung der Sterne.48 Diese Art der magisch-rituellen Wahrheitssprechung hat für Foucault trotz ihres „randständigen“ und „rückständigen“ Charakters einen heuristischen Wert in seinen Analysen.49 Das Wahre, das sich in Form des Sternenhimmels manifestiert, geht über die Zweckmäßigkeit des juristischen Wissens hinaus, das zur Zeit von Septimus Severus zur Verfügung stand. Das macht den Sternenhimmel zum Supplementären, über die Ordnung der nützlichen Erkenntnis hinausgehend. Es handelt sich um die „reine Manifestation der Ordnung der Welt in ihrer Wahrheit“50 und rührt damit am Kern dessen, was das Verhältnis von Wahrheitsmanifestation und Machtausübung auszeichnet: Es geht nicht um Verfahren zur Wahrheitsfindung oder Legitimierungsweisen von Macht, sondern schlicht darum, aus dem Verborgenen, Unsichtbaren das Wahre selbst als ein Ritual der Wahrheitsmanifestation aufscheinen zu lassen.51

Zum ödipusschen Hirten

Wie der Sternenhimmel mit seinem verborgenen Stück des Geheimnisses von Septimus Severus, so ist die Figur des Hirten der Träger des Geheimnisses von König Ödipus. Wer hat Laios, den Vater des König Ödipus, getötet? Auf diese Frage gibt das Orakel von Delphi keine Antwort. Ödipus befragt den Seher Teiresias, der ihm verkündet, dass Ödipus selbst seinen Vater getötet habe. Doch das reicht Ödipus nicht. Es wird ein Zeuge gesucht und gefunden: der Bote aus Korinth und der Hirte aus Theben. Der Bote aus Korinth eröffnet Ödipus, dass ihm als Hirte im Kithairon-Gebirge ein Findelkind anvertraut wurde. Dieses Findelkind war Ödipus. Der Sklave aus Theben bestätigt die Ermordung des Laios durch Ödipus.52 Foucault leitet aus der Tragödie König Ödipus eine weitere historische Form der Wahrheitsmanifestation ab.53 Ödipus ist ein Tyrann, der sich nicht nur durch Macht, sondern auch durch Wissen auszeichnet. So hat er hat das Rätsel der Sphinx gelöst und die Stadt Theben durch seine Kenntnisse aus den Fängen der Sphinx befreit. Als Belohnung erhält er die Witwe des Laios, die Königin Iokaste, und regiert fortan die Stadt Theben. Foucault behandelt diese griechische Tragödie von Sophokles als eine Geschichte der Wahrheitssuche und führt die Verfahren der Wahrheitsfindung vor Augen.54 Es handelt sich um das früheste Zeugnis griechischer Gerichtspraktiken, bei denen sich die göttlichen, juristischen und menschlichen Wahrheitsmanifestationen ineinanderfügen. Foucault sieht darin einen Beleg für eine Wahrheitsmanifestation und Machtausübung, die über zweckorientiertes Wissen hinausgeht. Zudem fällt das Wahr-Sprechen mit dem Gesehen-Haben zusammen, wie an der Zeugenschaft der Boten, Hirten und Sklaven deutlich wird. Somit verbindet sich das Wahr-Sprechen mit dem Ich-Selbst als spezifische Form der Subjektivierung in König Ödipus.55 Die wichtigste Verschiebung zeigt sich in den Mechanismen der Wahrheitsfindung, die sich von der prophetisch-göttlichen Konsultation der Gött:innen mit dem delphischen Orakel über die Regeln des Gerichtsverfahrens und der Vorladung der Sklav:innen als Zeug:innen hin zum empirisch-alltäglichen Blick des Hirten erstreckt. Entgegen der hierarchischen Gesellschaftsordnung steht der Hirte auf der gleichen Ebene wie die Gottheiten. Und doch ist er es, der in Opposition zur Stadt aus dem Land geholt werden muss. „Tief im Inneren Thebens gab es somit zumindest über eine Person ein kleines bekanntes und sichtbares Stück von Ödipus’ Schicksal. […] Kaiser [Septimus Severus, AK] hielt seinen Todeshimmel geheim. Der Hirte kannte das Geheimnis von Ödipus’ Geburt.“56 Er wird zu einer Schlüsselfigur, weil an ihm deutlich wird, dass sein Wissen am Anfang steht und doch erst am Ende der Wahrheitsfindung konsultiert wird.


Schluss

Septimus Severus hat über seinem Kopf die magische Ordnung der Sterne zu einem Prinzip der sichtbaren Wahrheitsmanifestation und Machtausübung gemacht. In Foucaults Textanalyse des König Ödipus manifestiert sich an der Figur des Ödipus eine Verbindung von solitärem Wissen und tyrannischer Macht57, die sich als dominante Form in der Geschichte des Abendlandes durchsetzen wird.58 Die Trias von Gesehen-Haben, Wahr-Sprechen und Ich-Selbst als Subjektivierungs- und Regierungsform verweist aber auch auf das, was verloren gegangen ist: das Wissen des ödipusschen Hirten, das Wissen der Natur, der Landschaft, des Empirisch-Alltäglichen. Ein Wissen, das ein weiteres Mal im Zuge der Hexenverfolgung verdrängt und ausgelöscht werden wird.

Die Rolle und Bedeutung der Magie in der Geschichte der Wahrheitsregime zeigt sich auf drei Ebenen: zunächst an der Bekämpfung der Hexerei des 16. und 17. Jahrhunderts als notwendige Vorbedingung für die Entwicklung der rationalen Gouvernementalität der Regierungsform der Staatsräson. Sie zeigt sich ebenso an Septimus Severus, dem magischen Anti-Ödipus, der durch die Magie seine Wahrheit und Regierung außerhalb der Kontrolle des Menschen manifestiert. Und schließlich am ödipusschen Hirten, der zum Äquivalent eines Phänomens wird, welches in der Bekämpfung magischer Praktiken im 16. Jahrhundert omnipräsent war: das verloren gegangene Wissen der Natur und Landschaft im weitesten Sinne als Umwelt zu beschreiben.

Zum Ende des Films von Rachel Rose ist die Heilerin und Mystikerin Elspeth Blake gezwungen, das Dorf zu verlassen. Sie kehrt uns den Rücken, als wende sie sich von der Gegenwart ab und der Vergangenheit zu. Die irrlichternden Gestalten treten in Erscheinung und beginnen ihren Tanz. Rose stellt in ihrem Film nicht nur die Mechanismen der Belebung und Emotionalisierung von Landschaft aus und verweist damit auf die verloren gegangenen Vorstellungswelten des Magischen und Animistischen. An der Figur der Elspeth Blake zeigt sich auch die Härte und Gewalt, mit der sich das Randständig-Werden des Magischen vollzogen hat. Auf die Enteignung ihres Besitzes folgt die Vertreibung und Ausgrenzung aus der Gemeinschaft. So ging mit der Verfolgung von Heilerinnen der Verlust von tradiertem, empirischem Wissen über Kräuter und Heilmittel einher. Ein Phänomen, welches historisch eng mit dem Aufstieg der Medizin und ihrer Professionalisierung verbunden ist.59 Was folgt daraus? Mit dem Versuch, den Irrlichtern als Erscheinungen einer verdeckten, dunklen Seite der Moderne zu folgen, war das Risiko verbunden „vom rechten Weg“ abzukommen und doch die Hoffnung nicht verloren, Dimensionen des Randständigen denk- und wahrnehmbar zu machen. Es ist ein Appell, Hoffnung und Risiko zu verbinden und die Geschichten des randständigen Wissens in all seiner Politizität zu denken.


Anna Kipke schließt derzeit ihren Master der Kunst- und Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg ab. Ihre Forschungsinteressen umfassen Theorie und Geschichte von Form, Kritik, Materialität und Spiritualität in moderner und zeitgenössischer Kunst. Sie erhielt ihren Bachelor mit einer Arbeit über Form und Denken von Abstraktion bei Hilma af Klint (1862-1944), Gilles Deleuze und Félix Guattari. Ihr aktuelles Projekt „Politiken der Innerlichkeit" setzt sich mit den Möglichkeitsbedingungen der künstlerischen Praxis des Heilens bei Emma Kunz (1892–1963) auseinander.




1 Vgl. „Irrlichter“, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. (Hg.) Hanns Bächtold-Stäubli unter Mitwirkung von Eduard Hoffmann-Krayer. Bd. 4. Berlin/New York 1987, S. 779-786. Hier heißt es weiter: „Die ausgebildete Vorstellung von I.ern [Irrlichtern, AK] (im Aberglaubenssinn) kann ich nicht über das 16. Jh. zurückverfolgen und sehe keinen Anlaß, sie für älter zu halten als die letzten Jahrhunderte des Mittelalters. Auch die lat. Bezeichnung ignis fatuus scheint nicht früher belegt als im 16. Jh.“ S. 785.
2 Vgl. „Irrlicht“, in: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Irrlicht>, abgerufen am 04.11.2020.
3 Siehe Silvia Federici, Re-enchanting the world. Feminism and the Politics of the Commons. Oakland 2019 und in deutscher Übersetzung: Silvia Federici, Die Welt wieder verzaubern. Feminismus, Marxismus & Commons. Wien 2020, in der Federici die ursprüngliche Akkumulation und die Einhegungen des 16. und 17. Jahrhunderts nun mit Blick auf die Globalisierung im globalen Süden aktualisiert und kritisiert.
4 Vgl. Robert Galbreath, „Okkult“, in: (Hg.) Maurice Tuchman. Das Geistige in der Kunst. Abstrakte Malerei 1980-1985.Stuttgart 1988, S. 381. und „Okkultismus“, in: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Okkultismus>, abgerufen am 05.11.2020.
5 Vgl. ebd. Galbreath, S. 381.
6 Vgl. Bjørn Thomassen, „Revisiting Liminality. The danger of empty spaces“, in: (Hg). Hazel Andrews. Liminal Landscapes. Travel, Experiences and spaces inbetween. London: Routledge 2003. S. 21-36.
7 Die Geschichte der Gouvernementalität I und II umfasst die Vorlesungen am Collège de France von 1977-1979. In seinem Spätwerk der 1980er Jahre nimmt Foucault eine methodische Verschiebung vom Begriff der Macht zum Begriff der Regierung, vom Begriff des Wissens zum Problem der Wahrheit vor. Vgl. Michel Foucault, Die Regierung der Lebenden. Vorlesungen am Collège de France 1979-1980. Frankfurt am Main 2020S. 27-32.
8 Vgl. Foucault, Die Regierung der Lebenden, S. 29f.
9 Vgl. ebd. S. 23.
10 Vgl. ebd. S. 35.
11 Vgl. ebd. S. 145ff.
12 Ebd. S. 134.
13 Vgl. ebd. S. 107-110.
14 Vgl. ebd. S. 118.
15 Ich danke Holger Kuhn für den Hinweis auf Septimus Severus in Michel Foucaults Vorlesungen am Collège de France der Jahre 1979–1980.
16 Vgl. Francesco Tenaglia und Rachel Rose, „Coincidence as a sublime: Rachel Rose“. Mousse Magazine. http://moussemagazine.it/rachel-rose-fondazione-sandretto-re-rebaudengo-2018/.
17 Vgl. Laura Mulvey, „A Clumsy Sublime“. Film Quarterly, Vol. 60, No. 3 (Spring 2007), S. 3. http://www.jstor.org/stable/10.1525/fq.2007.60.3.3
18 Regie führten William Dieterle und Max Reinhardt.
19 Vgl. Guy Mackinnon-Little, „Wil-o-Wisp“. TANK Magazine. https://tankmagazine.com/tank/2019/03/rachel-rose/
20 Die Regie im Film Spartacus führte Stanley Kubrick, die Musik wurde von Alex North komponiert. https://www.youtube.com/watch?v=4ihn9XWAeVI
21 Vgl. Erica F. Battle, „Following Foolish Fire: Exploring New Narratives with Rachel Rose. Erica F. Battle. Rachel Rose Studio, New York. February 9, 2018“, in: Rachel Rose. Wil-o-Wisp. The Future Fields Commission in Time-Based Media. Edited by Erica F. Battle. New Haven/London 2018, S. 42.
22 Vgl. Erika Balsom, „Enclosures and Escapes“, in: Battle/Rose, S. 11.
23 Vgl. Silvia Federici, Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation. Wien 2012, S. 16.
24 Vgl. ebd. S. 19.
25 Vgl. ebd. S. 210ff. Weiterhin beschreibt Federici die wichtige soziale Funktion der Allmende für das Leben der Frauen, die mit der Auflösung der Allmende verloren ging. Vgl. S. 86.
26 Vgl. ebd. S. 205.
27 Vgl. ebd. S. 214f.
28 Ebd. S. 243.
29 Ebd. S. 177
30 Vgl. ebd. S. 204, S. 247f.
31 Vgl. Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität I. Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Vorlesung am Collège de France 1977–1978. (Hg.) Michel Sennelart. Frankfurt am Main 2004. S. 280ff.
32 Vgl. ebd. S. 184-189.
33 Vgl. ebd. S. 192f.
34 Vgl. ebd. S. 286.
35 Vgl. ebd. S. 193. Siehe weiter: „Die sonderbarste und charakteristischste Machtform des Abendlandes […] wurde, wie ich denke, weder in den Steppen oder Städten geboren. Diese […] so einzigartige Machtform wurde im Hirtenstall geboren […].“ Ebd. S. 194.
36 Vgl. ebd. S. 135.
37 Vgl. ebd. S. 285.
38 Vgl. ebd. S. 300-311.
39 Vgl. ebd. S. 311.
40 Ebd. S. 135.
41 Vgl. ebd. S. 136.
42 Ebd. S. 336.
43 Vgl. Michel Foucault, Die Regierung der Lebenden, S. 27.
44 Vgl. Foucault, Geschichte der Gouvernementalität I, S. 281.
45 Foucault, Die Regierung der Lebenden, S. 25.
46 Vgl. ebd. 24ff.
47 Vgl. ebd. S. 15ff.
48 Vgl. ebd. S. 18f.
49 Vgl. ebd. S. 23.
50 Ebd. S. 20.
51 Vgl. ebd. S. 20f.
52 Vgl. ebd. S. 49ff.
53 Foucault betont in einem seiner früheren Texte über Ödipus, dass es ihm ausschließlich um eine Textanalyse gehe. Er stellt die Tragödie König Ödipus von Sophokles in den Zusammenhang einer Geschichte der Wahrheit, nicht in eine Geschichte des Begehrens oder in den Rahmen der Mythologie. Nicht der Mythos des Ödipus, sondern die Textanalyse stehe im Vordergrund. „Ich habe einen Text analysiert und kein Mysterium. Ich wollte diese Ödipusgeschichte entmystifizieren, die Tragödie des Sophokles untersuchen, und sie dabei nicht auf diesen mythischen Hintergrund beziehen, sondern auf etwas anderes. Und worauf? Auf die gerichtlichen Praktiken.“ (S. 774) Foucault analysiert den Text als einen Diskurstyp, der sich in dem Theaterstück entfaltet mit Diskursstrategien, in dem die Figuren Taktiken anwenden, um die Wahrheit zu finden. Vgl. Foucault, Michel, „Die Wahrheit und die juristischen Formen“, in: (Hg.) Daniel Defert, François Ewald. Michel Foucault. Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. 1970–1975. Bd. 2. Frankfurt am Main 2002. S. 774f.
54 Vgl. ebd. S. 688.
55 Vgl. Foucault, Die Regierung der Lebenden, S. 435ff.
56 Ebd. S. 18.
57 Vgl. ebd. S. 94f.
58 Vgl. dazu Philipp Sarasin, „Vom Wissen zur Wahrheit. Foucaults Geschichte der Wahrheit im Okzident in den Vorlesungen von 1979–1980“. Le Foucaldien, 1 (1), S. 4.
59 Vgl. Federici, Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation, S. 244ff.


Journal der Freien Universität Berlin

Berlin, 2024